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Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Gurney sprach leise und eindringlich. »Bitte erzählen Sie mir ganz genau, was Sie entdeckt und was Sie gemacht haben.«
    »Wie Jonah und ich aus der Revelation Hall nach Hause gekommen sind, haben wir den Fernseher gehört, und ich wollte Albert nicht stören. Albert hat sein Fernsehen geliebt. Und er hatte es nicht gern, wenn ihm jemand durchs Bild läuft. Also sind Jonah und ich durch die Hintertür in die Küche gegangen statt vorn rum, wo wir an dem Fernseher vorbeigemusst hätten. Wir haben uns in die Küche gesetzt, und Jonah hat vor dem Schlafengehen noch sein Eis gegessen.«

    »Wie lange haben Sie in der Küche gesessen?«
    »Das weiß ich nicht. Wir haben uns unterhalten. Jonah ist sehr tiefsinnig.«
    »Worüber haben Sie sich unterhalten?«
    »Über sein Lieblingsthema: die große Trübsal am Ende der Zeiten. In der Heiligen Schrift steht, dass am Ende der Zeiten eine große Trübsal kommen wird. Jonah will immer von mir wissen, ob ich das glaube und wie viel und was für eine Art von Trübsal es sein wird. Ja, darüber reden wir sehr oft.«
    »Sie haben also über die Trübsal gesprochen, und Jonah hat sein Eis gegessen.«
    »Wie immer.«
    »Und dann?«
    »Dann war es Schlafenszeit für ihn.«
    »Und?«
    »Er ist durch die Küchentür rüber ins Wohnzimmer, um zu seinem Zimmer zu kommen, doch keine fünf Sekunden später war er wieder in der Küche, dabei ist er so komisch zurückgewichen und hat ins Wohnzimmer gedeutet. Kein Wort hat er rausgebracht, bloß gedeutet. Also bin ich selbst rübergegangen. Hier rein, meine ich.« Ihr Blick schweifte kurz durch den Raum.
    »Was haben Sie da gesehen?«
    »Albert.«
    Gurney wartete. Als sie nicht fortfuhr, soufflierte er: »Albert war tot?«
    »Überall war Blut.«
    »Und die Blume?«
    »Die Blume lag neben ihm auf dem Boden. Er muss sie in der Hand gehalten haben, wissen Sie. Er wollte sie mir bestimmt geben, sobald ich zu Hause war.«
    »Was haben Sie dann getan?«

    »Dann? Ach, ich bin rüber zu den Nachbarn gelaufen. Wir haben nämlich kein Telefon. Ich glaube, sie haben die Polizei angerufen. Bevor die Polizei gekommen ist, hab ich die Blume aufgehoben. Sie war doch für mich.« In ihrer Stimme lag kindlicher Trotz. »Sie war ein Geschenk. Ich hab sie in unsere schönste Vase gestellt.«

35
    Stolpernd ins Licht
    Als sie schließlich das Haus der Schmitts verließen, war es Zeit zum Mittagessen, aber Gurney war nicht in der Stimmung. Dabei hatte er durchaus Hunger, und Clamm hatte auch ein passendes Lokal vorgeschlagen. Letztlich war er einfach zu enttäuscht, vor allem über sich selbst, um zu irgendetwas ja zu sagen. Als ihn Clamm zurück zum Parkplatz neben der Kirche fuhr, unternahmen sie zumindest einen halbherzigen Versuch, die Fakten der beiden Fälle miteinander zu vergleichen, um mögliche verbindende Merkmale zu erkennen. Aber es kam nichts Verwertbares dabei heraus.
    »Na ja«, meinte Clamm, um der Sache doch etwas Positives abzugewinnen, »zumindest haben wir noch keinen Beweis dafür, dass kein Zusammenhang besteht. Der Mann kann Briefe gekriegt haben, die die Frau nie gesehen hat. Ich hab nicht das Gefühl, dass in dieser Ehe viel miteinander geredet wurde - möglicherweise hat er ihr einfach nichts davon gesagt. Und bei dem Pillencocktail, den sie täglich schluckt, ist es auch nicht sehr wahrscheinlich, dass ihr irgendwelche subtilen emotionalen Veränderungen an ihm aufgefallen wären. Würde sich vielleicht lohnen, auch noch mal mit dem Jungen zu reden. Er ist zwar genauso weggetreten wie sie, aber vielleicht erinnert er sich an was.«

    »Klar.« Gurney war alles andere als überzeugt. »Und Sie könnten mal nachschauen, ob Albert ein Girokonto hatte und ob es einen Beleg über einen Scheck an einen Charybdis oder Arybdis oder Scylla gibt. Natürlich nur ein Versuchsballon, aber kann ja nicht schaden.«
     
    Auf der Heimfahrt verschlechterte sich das Wetter weiter, in einer Art morbidem Mitgefühl mit Gurneys Gemütsverfassung. Das morgendliche Nieseln entwickelte sich zu Dauerregen und bestärkte ihn in seiner trostlosen Bilanz des Ausflugs. Wenn es abgesehen von der großen Zahl an Stichverletzungen irgendwelche Ähnlichkeiten zwischen den Morden an Mark Mellery und Albert Schmitt gab, waren sie nicht hervorgetreten. In Flounder Beach war keines der besonderen Merkmale des Tatorts in Peony vorhanden. Keine rätselhaften Fußspuren, kein Gartenstuhl, keine zerbrochene Whiskeyflasche, keine Gedichte - keinerlei Anzeichen eines Spiels.

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