Die Hassliste: Roman (German Edition)
Cafeteria, wo sich zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich Schüler der oberen Jahrgangsstufen aufhielten, das Feuer eröffnet hatte, schoss Levil seiner Freundin, Valerie Leftman, ins Bein und richtete die Waffe dann gegen sich selbst. Ausschnitte des Videos, die das grausige Ende dieses Amoklaufs zeigen, sind im Internet und auf einigen Nachrichtenkanälen öffentlich gemacht worden, was Levils Familie in Aufruhr versetzt hat.
»Es mag sein, dass mein Sohn geschossen hat, trotzdem ist auch er ein Opfer«, erklärte Levils Mutter der Presse. »Ich verachte diese Medienhaie, die zu glauben scheinen, dass das alles meine Familie nicht ohnehin schon zerreißt. Begreifen die nicht, dass es uns das Herz bricht, immer und immer wieder mit ansehen zu müssen, wie sich unser Sohn eine Kugel ins Gehirn schießt?«
Levils Stiefvater fügte unter Tränen hinzu: »Auch unser Sohn ist gestorben. Vergessen Sie das bitte nicht.«
***
Ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber ich muss mich wohl einfach daran gewöhnt haben, mit Jessica Campbell befreundet zu sein. Das Ende vom Halbjahr kam und ging und wäre mir wahrscheinlich nicht weiter aufgefallen, wenn Dr. Hieler nicht in einer unserer Sitzungen ein Riesentheater darum gemacht hätte.
»Ich hab’s doch gewusst, dass du es bis zum Halbjahresende schaffst«, sagte er selbstzufrieden. »Ich bin verdammt gut, echt!«
»Bilden Sie sich bloß nicht zu viel darauf ein«, zog ich ihn auf. »Schließlich steht noch nicht fest, dass ich nachden Ferien weitermache. Wie können Sie wissen, ob ich nicht doch noch die Schule wechseln will?«
Aber ich machte nach den Ferien weiter, und als ich mich im Januar durch die Eingangstüren schob, war ich lange nicht so angespannt wie an meinem ersten Tag zurück in der Schule.
Anscheinend gewöhnten sich auch die Leute im Großen und Ganzen an die Vorstellung, dass ich wieder da war, wobei garantiert auch die Tatsache half, dass Jessica und ich jeden Mittag zusammen aßen.
Und ich war immer noch bei den Schülerratstreffen dabei. Ich machte inzwischen ein bisschen mehr mit und half sogar dabei, den Raum für Mrs Stones Geburtstag zu schmücken. Das Treffen sollte anders laufen als sonst – wir würden vielleicht fünf Minuten an dem Gedenkstätten-Projekt weiterarbeiten und den Rest der Zeit Kuchen essen und Mrs Stone mit ihrem fortgeschrittenen Alter aufziehen. Es sollte eine Überraschung für sie sein und wir arbeiteten zügig, um die Dekoration fertig zu kriegen, bevor sie von der Aufsicht bei den Schulbussen zurückkam.
»Ich geh auf jeden Fall auf das Justin-Timberlake-Konzert«, verkündete Jessica. Sie beugte sich auf ihrem Stuhl vor und brachte ihn damit ins Schwanken. Einen Augenblick lang kippelte sie herum, dann hatte sie wieder einen festen Stand und reckte sich hoch auf die Zehenspitzen. Sie riss ein Stück Klebeband von einer Rolle und befestigte das blaue Krepppapier in ihrer Hand an einem Ziegelstein. »Ihr auch?«
»Nein, meine Mutter lässt mich nicht«, sagte Meghan. Sie hielt das andere Ende des Krepppapiers fest. Jessicawarf ihr das Klebeband zu. Als sich Meghan vorbeugte, um es zu fangen, fiel ihr Ende von dem Krepppapier herunter. »Mist!«
»Ich hab’s schon«, sagte ich. Ich humpelte hinüber und schnappte mir das Kreppband, drehte es zu einer Girlande, genau wie Meghan das vorher getan hatte, und hielt es ihr hoch.
»Danke«, sagte sie. Sie ging auf die Zehenspitzen und machte es an der Wand fest. Während sie das tat, blies Jessica einen Luftballon auf, den sie in der Mitte der Kreppbandgirlande aufhängen wollte.
Ich schnappte mir ebenfalls einen Ballon aus der Tüte auf dem Tisch und begann, ihn aufzublasen. Hinter mir waren einige andere dabei, eine Tischdecke auszubreiten und den Kuchen hinzustellen. Josh sprintete gerade in die Cafeteria, um die Getränke zu holen, die Jessicas Mutter vorhin vorbeigebracht hatte.
»Ich würd auch sooo gerne hingehen«, sagte Meghan. »Ich liebe Justin Timberlake.«
»Der ist echt heiß, was?«, meinte Jessica.
Meghan seufzte tief. »Meine Mom lässt mich neuerdings überhaupt nirgends mehr hin. Die ist total paranoid. Mein Dad sagt, sie soll lockerlassen. Er findet, ich soll mich nicht weiter darum kümmern. Aber jetzt redet sie sogar davon, dass ich hierbleiben und aufs städtische College gehen soll, weil sie’s nicht erträgt, dass ich woanders studiere. Als ob ich da wieder in einen Amoklauf gerate. Die braucht ’ne Therapie, echt.«
Ich verknotete den
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