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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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Gegenlicht. Der Junge stand Ada gegenüber, zwei Armlängen von ihr entfernt. Ada bedeckte den Mund mit ihrer Hand und lachte.
    »Das Kleid«, sagte mein Vater. »Verdammt. Da habe ich nicht aufgepaßt.«
    Ich fragte mich, wie er darauf kam. Aber er hatte recht:
    Der Stoff spannte an ihrem Bauch. Das grelle Gelb ließ sie blaß, beinahe kränklich wirken.
    »Ist das der Junge, der mit seinem Vater in dieser Bruchbude wohnt?«
    »Das ist er«, sagte ich.
    Er hatte die Daumen in den Bund seiner Shorts gehakt, während Ada den Kopf schüttelte und sich betastete, die Brüste, den Po, die Hüften, vielleicht auf der Suche nach einer Tasche, in der ihre Zigaretten steckten.
    »Schau, wie er dasteht«, sagte mein Vater. »Es gibt solche Typen, die eigentlich in einen Affenkäfig gehören und trotzdem von Frauen umschwärmt werden. Wundere dich nicht darüber.« Er stocherte mit der Spitze der Krücke Richtung Fenster. »Früher hat deine Mutter manchmal auf ihn aufgepaßt, wenn sein Vater in Lagos war oder was weiß ich wo. Ein stilles, dickes Kind mit Durchfall.«
    »Sie flirten«, sagte ich.
    Mein Vater zog die Brauen hoch.
    »Du bist eifersüchtig.«
    Ada lachte und tänzelte auf der anderen Seite der Scheibe. Ihre Lippen bewegten sich wie die eines Mädchens in einem Stummfilm. Ich zuckte die Schultern und versuchte, so gelangweilt wie möglich zu gucken.
    »Ich habe eine Freundin«, sagte ich. »Eine, mit der ich Sachen mache.«
    »Interessant«, sagte mein Vater.
    Ich spürte, daß er mir nicht glaubte. Wahrscheinlich mußte man durchdrehen, stehlen oder sterben, um ernst genommen zu werden.
    »Sie ist hübsch«, sagte ich und schluckte etwas Spucke runter. »Die Schuhverkäuferin sah aus wie ein alter Brummkreisel, oder?«
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne und kniff die Augen zusammen.
    »Und Doktor Steinbergs Sekretärin? Und die Frauen von deinen Kollegen - Barbara, Gunda ... Margarethe?«
    Draußen ging Eric in die Knie, betrachtete die Chinarosen, riß eine ab und hielt sie Ada hin. Ich glaubte, mein Vater würde mich ohrfeigen, und spannte die Muskeln an, aber er humpelte zum Fenster, machte es auf und lehnte sich raus.
    »Freundchen«, brüllte er, »hau ab! Laß meine Blumen in Ruhe!«
    Eric sah meinen Vater an, dann drehte er sich um, als stünde jemand hinter ihm. Ada streckte den Rücken. Ich sah ihre Beine, zwei graue, schlanke Schatten unter dem Stoff des Kleides, und weiter unten die Haut, schmutzgesprenkelte Knie, am Schienbein eine verschorfte Wunde.
    »Los«, brüllte mein Vater, »sieh zu! Und du kommst rein, Ada!«
    Die beiden setzten sich in Bewegung, wie in Zeitlupe -ein halbnacktes Wesen und eine junge Frau in einem zu engen Kleid. Eric knallte das Tor zu und zeigte uns durch das Gitter den Finger.
    Ich wollte in mein Zimmer gehen.
    »Du bleibst da«, sagte mein Vater. Er griff mir von hinten an den Hals. Ich wollte mich wegducken, aber sein Griff war fest wie eine Zwinge. Als Ada eintrat, ließ er los, humpelte auf sie zu, blieb vor ihr stehen, holte aus und schlug ihr ins Gesicht.
    Sie sah ihn an. Er sah sie an, und ich sah an seinem Rücken vorbei in ihre Augen, die reglos blieben, als sei nichts Unerhörtes passiert, sondern etwas völlig Normales.
    »Hör mal«, sagte er. »Ich möchte nicht, daß alle möglichen Leute hier ein- und ausgehen.«
    Er sagte es mit sanfter Stimme, als spräche er mit einem Kind.
    Ada runzelte ihre Stirn.
    »Sein Name ist Eric«, sagte sie. »Er ist ein Nachbar.«
    Mein Vater verlagerte das Gewicht. Für einen Moment wankte er, dann fing er sich mit der Krücke ab.
    »Schau dir den Jungen an«, brüllte er. »Er raucht! Er nimmt meine Schmerztabletten! Nachts besäuft er sich irgendwo, und wenn er morgens nach Hause kommt, trägt er Frauenkleider!«
    Sie drehte sich um und ging. Mein Vater holte Luft, setzte sich ans Klavier und spielte ein Stück aus dem Übungsbuch, einen Boogie-Woogie. Ich lief hinter Ada her in den Keller. Sie rannte zur Waschküche, nahm ihren Rucksack, der bei den Putzmitteln stand, und stieß die Tür zum Garten auf. Am Fluß ließ sie sich ins Gras fallen, kramte die Zigaretten hervor und steckte sich eine an.
    Ich setzte mich zu ihr.
    »Hau ab«, sagte sie.
    Sie sah aufs Wasser. Ich dachte, daß sie einzigartig war, daß sie etwas Besseres verdiente als meinen Vater und mich und daß ich ihr nicht helfen konnte, weil ich ein Kind war, ein Träumer, ein Dummkopf. Sie wischte die getrocknete Erde von der Haut ihrer Knie. Der

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