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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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Schildchen ihre Funktionen als Diwane, Garderobenständer und Stehlampen offenbarten.
    Mein Vater setzte diesen Blick auf, mit dem er die Tagesschau verfolgte. Er humpelte durch die Reihen, klopfte auf eine Tischplatte und blieb vor einem Bett mit rot lackiertem Rahmen stehen. Ich setzte mich auf die breite Matratze. Mein Vater griff nach dem Preisschild, drehte es, kniff die Augen zusammen und ließ es gleich wieder fallen.
    »Steh auf«, sagte er leise.
    Der Verkäufer kam, ein junger Mann mit wachen Augen, Pickeln und einem karierten Schlips.
    »Kann ich helfen?« fragte er.
    »Wir suchen ein Bett«, sagte mein Vater. »Ein Bett für eine junge Frau, ungefähr in Ihrem Alter, mit einem ganz speziellen Geschmack.«
    Der Verkäufer nickte.
    »Lassen Sie mich ehrlich sein. Ich habe lange nicht begriffen, wie sich ein wirklich gutes Bett von einem beliebigen Bett unterscheidet. Ihr Sohn dagegen kommt hier rein und setzt sich gleich auf dieses Wunder ... Ist die Matratze bequem?«
    »Sehr«, sagte ich, obwohl sich mein Vater schon den Betten zugewandt hatte, die weiter hinten im Halbschatten standen.
    »Das Schlafsystem Urbana. Lackierte NicaraguaEiche. Elektrisch verstellbares Kopfteil.« Der Verkäufer räusperte sich. »Die Matratze wird in sechs verschiedenen Federkraftrezepturen gefertigt.«
    Seine Hände zitterten. Er verschränkte sie vor der Gürtelschnalle.
    »Die Federn sind übrigens thermisch vergütet.«
    »Thermisch«, sagte mein Vater und schnalzte.
    »Wir stimmen das System auf Anatomie und Gewicht des Schläfers ab. Darf ich fragen, wie schwer Ihre, äh, Tochter ist?«
    »Keine Ahnung«, sagte mein Vater. »Sechzig Kilo.« Er sah mich an. »Fünfundsechzig höchstens.«
    »Na, dann wurde dieses Modell für ihre Tochter maßgeschneidert!« Der Verkäufer grinste. Mein Vater grinste auch, wir alle grinsten, obwohl der Verkäufer nichts Lustiges gesagt hatte.
    »Wie breit ist das Ding«, sagte mein Vater.
    »Zweihundert Zentimeter.«
    »Puh.« Er rieb sich die Wange. »Da passen wir ja zu dritt rein.«
    »Nun«, sagte der Verkäufer, »ich nehme an, Ihre Tochter bekommt manchmal Besuch?«
    »Sie ist ein ganz sauberes Mädchen«, sagte mein Vater. Er tippte dem Verkäufer auf die Schulter. »Sie wissen, wie man's macht, oder?« Plötzlich brachen beide in ein schrilles Japsen aus, das nach den Asthmaanfällen meiner Großmutter klang.
    »Gut«, sagte mein Vater. »Schon gut.« Plötzlich war er wieder ernst. »Ist in Ordnung. Wir nehmen das Bett.« Er sah mich an. »Was meinst du? Ist doch ein tolles Ding, oder?«
    Ich sah zu Boden. Er beugte sich vor und knuffte mich in die Rippen.
    »Mit diesem Jungen kommt man nur schwer ins Geschäft«, sagte er.
    »Ach«, sagte der Verkäufer. »Irgendwann wünscht er sich auch so ein Bett.«
    Wieder japsten die beiden. Ich dachte, daß mein Vater es im Grunde gut meinte, und daß ich seine Laune teilen und ihm vertrauen sollte, wie meine Mutter ihm während all der Jahre vertraut hatte, wie seine Chefs seinen Kenntnissen einer Technologie vertraut hatten, die, das betonte er immer wieder, den Weltuntergang herbeiführen konnte.
    »Schränke«, sagte mein Vater schließlich. »Wo gibt es Kleiderschränke?«
    »Da vorne«, sagte der Verkäufer, »hinter den Küchenträumen. Haben Sie etwas Bestimmtes im Sinn?«
    »Wir schauen uns erst mal um. Wir melden uns, wenn wir Hilfe brauchen.«
    »Jederzeit«, sagte der Verkäufer, und mein Vater streckte die Hand vor und machte ein Victory-Zeichen. Ich wollte raus aus dem Schauraum, aber als der Verkäufer sich abwandte und Richtung Kasse verschwand, packte mein Vater mich am Arm.
    »Was ist los«, sagte er.
    »Nichts«, sagte ich.
    »Du bist komisch!« Er schob mich vor sich her durch den Raum zu dem Bereich, wo die Schränke standen.
    »Laß mich los«, sagte ich.
    »Okay. Begreif es.« Er machte sich gerade, atmete durch und starrte auf einen Punkt zwischen seinen Füßen. Das tat er immer, bevor er Dinge aussprach, die er für sich behielt, bis man eine gewisse Grenze überschritten hatte.
    »Vergiß die Sache mit Ada.« Er zog die Brauen zusammen. »Was ist mit dieser Freundin, von der du mir erzählt hast? Was ist mit den Mädchen aus deiner Klasse? Aus den Klassen darunter?«
    Ich sah mich um. Der Verkäufer stand vorn bei der Kasse und massierte sein Ohr. Es waren noch andere Leute da, Paare zumeist, die tasteten, murmelten, sich über Preisschilder beugten, uns aber nicht bemerkt hatten oder zumindest so taten.
    »Wir

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