Die Haushälterin
Augen.
»Blöde Kamera«, sagte sie.
»Ist doch ein gutes Bild.«
»Findest du?«
»Feiner Typ«, sagte ich. »Seid ihr befreundet?«
»So ähnlich«, sagte sie und hielt mir das nächste Bild hin, auf dem sie mit einer Tüte Eis in einem Ruderboot saß. Ich spürte einen Stich in der Brust, weil er der Mann war, zu dem sie gehörte.
Bevor ich ins Bett ging, warf ich noch einen Blick ins Schlafzimmer meines Vaters. Zwischen den Fenstern, wo die Tapete etwas heller war, stand nun ein Korbstuhl aus dem Keller. Während ich meine Zähne putzte, fragte ich mich, ob ein Fremder, der das Zimmer beträte, spüren würde, daß etwas fehlte.
Gegen drei wachte ich auf. Ich hörte die Toilette rauschen, und ich hörte, wie das Wasser durch die Rohre floß, die in der Wand nach unten liefen, um dann vielleicht zur Straße zu ziehen oder in Richtung der anderen Häuser.
Ich schlüpfte in meinen Bademantel, öffnete die Zimmertür und trat hinaus in die dunkle Diele. Durchs Schlüsselloch sah ich, daß im Schlafzimmer meines Vaters kein Licht brannte. Ich schlich zur Treppe und beugte mich über das Geländer. Die Wohnzimmertür war halb geöffnet, und gleich dahinter stand im Schein der Stehlampe unser Servierwagen. Ich ging, so vorsichtig ich konnte, zurück zum Bett, nahm das Päckchen mit dem Skorpion aus der Tasche meiner Trainingsjacke, schlich wieder in die Diele, blieb stehen und hielt den Atem an. Im Bad klappte der Klodeckel, dann lief der Wasserhahn, und ich hörte das Schmatzen des Seifenstücks und das Reiben des Handtuchs. Ich drückte mich an die Tapete, als
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die Tür aufging.
Aus dem Bad kam mein Vater. Er knipste das Licht aus, bevor meine Augen sich daran gewöhnten, aber ich sah, daß er nackt war bis auf den Duschvorleger, der über seinen Schultern hing wie eine Jagdtrophäe. Ich sah die metallenen Stäbe an seinem Bein, seinen Penis, den schlaffen Bauch und die krausen Haare auf seiner Brust. Er ging die Treppe runter - ich hörte seine Fingernägel über das Geländer schaben, hörte die Stufen unter seinen dumpfen Tritten knarzen, und dann war er unten und lief noch ein Stück und zog die Wohnzimmertür ins Schloß.
Ada ist wieder weg, dachte ich. Sie war gesund und hatte beschlossen, uns endgültig zu verlassen. Das dachte ich, während ich in der dunklen Diele stand, und ich dachte noch andere Dinge, daß mein Vater getrunken hatte und vielleicht deshalb nackt war oder daß seine alte Allergie ihn wieder belästigte und er sich ohne den Pyjama besser kratzen konnte. Und ich dachte, daß er vielleicht schlafwandelte und daß Ada schreien würde, wenn sie ihn so sah, aber dann hörte ich einen Laut, der klang wie das Röcheln eines Kindes, wie mein eigenes Röcheln, als mir auf dem Schulhof diese Kastanie in den Hals gerutscht war. Das Geräusch kam von unten, aus dem verschlossenen Wohnzimmer, und ich wußte plötzlich, daß ich während der letzten Wochen geträumt hatte und noch immer träumte, obwohl ich die Kälte des Parketts an meinen Füßen spürte und den rauhen Stoff des Bademantels am Hals und einen Stich an der Hand, den Stachel des Skorpions, der sich durch das seidene Papier gebohrt hatte.
Ich ging in die Hocke und begann, meine Zehen zu zählen, vor und zurück, bis ich bei zweihundert angelangt war, und dann zählte ich meine Zähne und die Haare auf meinem Kopf, um nichts anderes denken zu müssen, aus Angst, die anderen Gedanken könnten nach unten ins Wohnzimmer dringen wie etwas Lautes, etwas, das lauter war als ein Schrei.
Um sieben zog ich mich an. Ich lief zur Bäckerei und kaufte Brötchen und Kaffee, briet drei Eier in der Pfanne, preßte ein paar Orangen aus, schälte Kiwis und stellte alles im Wohnzimmer auf den Eßtisch. Ada schlief noch auf der Couch. Davor stand ein Wasserglas auf dem Boden, und unter dem Laken, mit dem ich das Polster bespannt hatte, lugte der gelbe Plastikzipfel des Duschvorlegers hervor.
Ich setzte mich an den Tisch, schippte ein Spiegelei auf meinen Teller, aß, schenkte Milch ein, knallte den Krug auf die Tischplatte und warf meine Gabel auf den Boden. Dann griff ich nach der Fernbedienung. Im Ersten lief die »Mup-pet Show«, Gonzo sang gerade ein Lied, und Kermit spielte dazu Gitarre. Ich drückte den Lautstärkeknopf, bis die Gläser in der Vitrine vibrierten.
»Frühstück«, rief ich.
Ada rieb sich die Augen und blinzelte. Sie richtete sich auf, zog ihr Haargummi unter dem Kissen hervor und band sich einen
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