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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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Wirbeln aus der Haut wuchs. Draußen fuhr ein Auto vorbei, und dann war es still im Haus bis auf das Knacken im Gebälk und unsere Atemzüge im Gleichklang.
    »Wer hat hier Wadenwickel bestellt«, rief mein Vater mit Fistelstimme. Er hatte sich feuchte Spültücher über den Arm gehängt wie ein Kellner.
    »Ach, jetzt erinnere ich mich. Die junge Dame war's!«
    Er blieb am anderen Ende der Couch stehen und schlug die Decke zurück.
    »Hau ab«, sagte Ada.
    Mein Vater umfaßte ihren Knöchel und hob das Bein hoch.
    »Sie will nicht«, sagte ich.
    »Sie muß«, sagte er mit der Kellnerstimme und zog am Bund ihres Sockens. Er streifte den Socken vom Fuß, schüttelte ihn aus, hängte ihn über die Lehne der Couch und griff nach dem anderen Bein.
    Plötzlich begann Ada zu strampeln. Mein Vater zog den Kopf zurück, aber sie erwischte ihn mit den Zehen am Auge.
    »Hau ab!« rief sie. »Hau ab!«
    »Ada«, sagte ich.
    Mein Vater ließ die schweren Tücher auf ihre nackten Beine fallen und warf die Decke darüber. Dann schob er mich vor sich her aus dem Zimmer.
    »Was ist«, sagte ich. Ich hatte Angst.
    Er zwinkerte mir zu.
    »Du weißt schon. Mädchen«, flüsterte er so laut, daß Ada es hören konnte.
    23
    Am späten Dienstag nachmittag bestellte mein Vater ein Taxi.
    »Pst!« Er preßte den Zeigefinger auf seine Lippen. »Glaub mir, Ada wird sich fühlen wie eine Prinzessin. Wir werden ihr die Augen verbinden. Wir führen sie mit verbundenen Augen in ihr neues Reich!«
    Er stellte einen warmen Topf voll Haferschleim neben die Couch und erzählte Ada, daß er beim Arbeitsamt vorsprechen müsse. Sie nickte, obwohl er in seinem gelben Pulli und den Bermudas eher aussah wie ein Tourist, der zu einer Hafenrundfahrt aufbrach.
    Kurz darauf hupte draußen das Taxi. Auf halbem Weg zur Straße drehte mein Vater sich plötzlich um, humpelte noch einmal zurück und schloß die Haustür ab.
    »Damit sie, während wir weg sind, nicht geklaut wird«, sagte er.
    »Moin«, sagte der Taxifahrer.
    »Moin moin«, sagte mein Vater. »Wir möchten zu Möbel Bernbeck.«
    Ihre Haut war weiß geworden wie der Bezug des Kopfkissens. Sie hatte die letzten Tage auf der Couch und auf dem Klo verbracht. Mein Vater hatte alte Platten von Dinah Washington aufgelegt, deren Gesang Adas Würgen und die anderen Geräusche übertönte. »Was sie braucht, sind Ruhe, Tee und Eukalyptusbalsam. Und ein bißchen Liebe«, das sagte er, wenn ich ihn bat, Doktor Hoffmann zu holen.
    »Hoffmann ist ein alter Knochen. Du weißt, wie er damals versagt hat.« Er meinte das Jahr, bevor meine Mutter in die Klinik gekommen war, und es störte ihn kaum, daß in Adas zerknüllten Tempos, die ich morgens zum Müll trug, nicht nur zäher Schleim, sondern auch Blut war.
    Als wir über den Pfingstberg fuhren, wies ich ihn wieder darauf hin. Ich glaubte, er hätte zumindest vor dem Taxifahrer Respekt.
    »Das kommt vom Zahnfleisch«, sagte mein Vater. »Ich habe sie gefragt. Ihr Zahnfleisch, verstehst du, es ist labil. Polnisches Zahnfleisch!« Er drehte sich zu mir um und lachte, kurbelte dann die Scheibe runter, ließ seinen Arm nach draußen hängen und siebte mit den Fingern die Luft.
    »Komm schon«, sagte er, »zieh nicht so ein Gesicht. Genieß die Sonne!«
    Als wir auf dem Parkplatz standen, bezahlte mein Vater, und wir stiegen aus. Der Fahrer kam um den Wagen herum und reichte ihm die Krücken. Ich hakte den Arm unter seine Achsel und half ihm aus dem Sitz.
    Früher war meine Mutter mit mir zu Möbel Bernbeck gefahren, um die Tische von Knoll, die Eames-Stühle und die Spiegelschränke von Keith Ambrosi anzuschauen. Inzwischen bestand der Laden aus Glas, und der Name Bernbeck war in eine breite Platte aus poliertem Granit gehauen, die neben der Drehtür im Kies stand.
    »Häßlich«, sagte mein Vater. »Aber sie sind die besten.«
    Er zog einen Taschenkamm hervor, klappte ihn auseinander, kämmte sich damit die Haare und strich seinen Pulli glatt. Ich bückte mich, um die Senkel meiner Turnschuhe zuzubinden.
    »Nächstes Mal ziehst du deine Stiefel an«, sagte er.
    Wir gingen rein. Ich blockierte die Drehtür mit dem Fuß, bis er nachkam. Der Schauraum roch nach Vanille und Leder. In der Mitte stand einer dieser schlichten japanischen Brunnen, und durch zwei gläserne Deckenkuppeln fiel Sonnenlicht auf die Möbel.
    Ich spähte nach der Quelle der leisen Triangelmusik. Anscheinend waren die Boxen in einem Skulpturenwald versteckt, dessen Bestandteile erst beim Lesen der

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