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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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Zopf.
    »Wie spät«, rief sie.
    »Kurz nach acht.«
    »So früh. Heute ist doch Samstag.«
    Plötzlich ging die Tür auf, und mein Vater kam herein. Sein Haar stand vom Kopf ab wie elektrisiert. Er humpelte zum Fernseher, sah sich um und drückte mehrmals die Knöpfe für Helligkeit und Kontrast, und er drückte auf die Blenden und auf das Schild mit dem Grundig-Schriftzug.
    »Wo geht das aus?« rief er. »Wo ist die Fernbedienung?«
    Ich legte sie hinter den Milchkrug. Schließlich schob er den Fernseher zur Seite, beugte sich vor und zog den Stecker.
    »Was soll das«, sagte er. Seine Augen waren klein und verquollen. Er trug sein Holzfällerhemd, die Pyjamahose und weiße Socken mit Basketbällen, die wir zusammen bei Woolworth gekauft hatten.
    »Kannst du mir sagen, was das soll?«
    »Ich habe uns ein Frühstück gemacht.«
    Er brummte und schüttelte seinen Kopf.
    »Spinnst du jetzt völlig«, sagte er.
    Ada schob die Decke zur Seite, stand auf und ging zum Sessel, über dessen Lehne der BH, die Jeans und ihr T-Shirt hingen. Sie nahm die Jeans, schlüpfte hinein und zog sie unter dem Nachthemd hoch. Ich drehte mich weg.
    Mein Vater blieb stehen, während sie den Hosenschlitz knöpfte.
    »Ist doch schön«, sagte sie, »so ein gedeckter Frühstückstisch, als hätte jemand Geburtstag.«
    Sie setzte sich hin und starrte auf die Pfanne mit den Eiern. Mein Vater schüttelte wieder den Kopf und kratzte sich unter der Achsel. Schließlich kam er an den Tisch, setzte sich auf den Stuhl neben Ada und rieb seine Hände.
    »Stimmt«, sagte er. »Der Tag ist nur am Morgen jung.«
    Er schenkte Kaffee in die Tassen, nahm eines der Brötchen, schnitt es auf und belegte es mit Krustenschinken. Er biß hinein, und ein Stück Kruste blieb an seiner Lippe hängen.
    »Vorzüglich«, sagte er.
    Das Krustenstück schlackerte hin und her, ehe er es in den Mund schob.
    »Ich habe prächtig geschlafen. Und ihr?«
    Er schippte ein Ei auf Adas Teller.
    »Ich möchte lieber Kiwi«, sagte sie. »Und was von dem Brot.«
    »Iß das ruhig«, sagte er. »So ein Spiegelei ist was Gutes.«
    »Ich will es nicht«, sagte sie.
    Er aß weiter. Ada schob den Teller mit dem Ei zur Seite, nahm ein Stück Kiwi und biß hinein. Der gelbgrüne Saft tropfte aufs Tischtuch.
    »Guck«, sagte mein Vater.
    »Was denn«, sagte sie. »Soll ich mir ein Lätzchen binden?«
    »Ist ja gut«, sagte er und trank noch einen Schluck Kaffee. »Wie wär's mit Musik?« Er sah mich an. »Bei einem Samstagsfrühstück darf gute Musik nicht fehlen, oder?«
    »Debussy«, sagte ich. »Und einen Piccolo?«
    »Du denkst«, sagte mein Vater, »die junge Frau kann welchen gebrauchen.« Er grinste und kniff Ada in den Oberschenkel.
    Ich faltete meine Serviette zusammen, legte sie neben den Teller, ging ins Klavierzimmer, schaltete die verstaubte Anlage ein und kratzte mit der Abtastnadel quer über die Platte. Dann knipste ich das Kellerlicht an und ging die Treppe runter. Mein Mund war trocken, obwohl ich die Milch und den Saft getrunken hatte.
    Im Geräteraum standen hinter den Ersatzglühbirnen zwei kleine Freixenets, verknüpft durch das Netz einer drallen Spinne. Ich stellte mich auf Zehenspitzen, tastete nach dem Stromzähler, holte die Trittleiter aus der Waschküche und rückte sie an das Regal heran. Ich stieg hinauf, zog den Gefrierbeutel hinter dem Zähler hervor und nahm die gebündelten Scheine heraus; sie waren grau und faltig. Ich zählte neunzehn Tausender; scheinbar hatte mein Vater schon einen genommen.
    Ich schob das Bündel in meine Tasche, knüllte die Tüte zusammen und klemmte sie wieder an ihren Platz. Dann nahm ich die beiden Flaschen, knipste das Licht aus, schlich nach oben und lauschte. Mein Vater summte zur Musik, als würde das laute Knacken in den Takten nicht weiter stören.
    Adas Rucksack hing an der Garderobe. Ich öffnete ihn, steckte die Scheine unter das Deckblatt ihres Notizblocks und überlegte, ob ich eine Erklärung dazuschreiben sollte, einen Gruß oder vielleicht den polnischen Satz aus ihrem Brief, aber ich konnte mich nicht mehr an die Worte erinnern. Ich schrieb ihn auf deutsch und stopfte den Block zurück und zog die Riemen fest.
    Sie ging um elf. Ich sagte »Bis dann« und küßte ihre Wange. Es war mir egal, daß mein Vater danebenstand und auf die Uhr sah, daß der Kuß eine kurze Verzögerung seines Planes bedeutete.
    Ich brachte Ada bis zum Tor, sah die Müdigkeit in ihren Augen, die feinen Falten an den Lidern - Falten, die

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