Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
Vom Netzwerk:
behielt, sobald wir wieder allein waren.
    6
    Ich rief bei der »Morgenpost« an und gab eine Anzeige auf: »Vater und Sohn suchen Haushälterin. Halbtagsarbeit, dreimal pro Woche.«
    »Ist das alles.« Die Frau am anderen Ende der Leitung klang heiser.
    Ich hatte solche Anzeigen in der Samstagsausgabe gelesen. Manche von ihnen waren mit einem Zusatz versehen: »Gute Deutschkenntnisse erwünscht«, »kein Sex« oder »Spaß am Bügeln«.
    »Das ist alles«, sagte ich. »Danke.«
    Ich fragte mich, warum ich nicht früher darauf gekommen war. Im Gerätekeller klemmte hinter dem Stromzähler noch ein Bündel staubiger Hundertmarkscheine.
    »Für den Notfall«, hatte mein Vater gesagt und ein sprödes Einweckgummi über das Bündel gerollt. Ich hatte geglaubt, er würde spinnen.
    »Möchten Sie, daß per Chiffre oder direkt geantwortet wird?«
    Ich gab unsere Telefonnummer durch.
    »Auf Wiederhören«, sagte die Frau mit der heiseren Stimme.
    Als ich auflegte, war mir klar, daß mein Vater geahnt haben mußte, wie sich die Dinge entwickeln würden.
    Plötzlich freute ich mich auf den Tag, an dem er zurück kommen würde, auf seinen überraschten Blick und das »Willkommen daheim!« einer Frau mit kräftigen Armen, blitzenden Augen und dem Humor meiner Großmutter, die ihm den Hintern versohlt und dafür gesorgt hatte, daß er die längste Zeit seines Lebens ein anständiger Mensch gewesen war.
    Ich bügelte Hemden und Socken, legte sie in eine Reisetasche, tat den neuesten »Stern« dazu und brachte alles in die Klinik. Am Abend kippte ich eine Tüte voller verschwitzter Unterhosen, die mein Vater aussortiert hatte, in den Wäschekorb. Dann belegte ich ein Baguette mit gebratenen Fischstäbchen, setzte mich vor den Fernseher und schaltete hin und her: ein seltsamer Film mit Romy Schneider, Schneeleoparden auf Beutezug, Lenny Kravitz auf Tournee.
    Mir war warm; ich wollte zum Bootsschuppen, in einem vertäuten Tretboot sitzen und ein paar Steine ins Wasser werfen. Ich schaltete den Fernseher aus, aß das Baguette und stellte mein Saftglas und den Teller in die Spüle. Dann band ich meine Trainingsjacke um, ging zum Bücherregal, zog hinter Großvaters lederner Bibel die Zigarillos hervor und nahm den Haustürschlüssel vom Haken neben der Garderobe.
    Der Bootsschuppen lag etwas abseits. Ich lief bis zum Ende der Straße, dann weiter auf einem Pfad durch hohes Gras und Brennesseln, vorbei an der Villa dieses Mannes, der ständig für das Rote Kreuz in Afrika unterwegs war; so mußten Kolonialvillen in Ghana oder Liberia aussehen: drum herum eine hohe Mauer, das Dach zerfressen von Jahren im Wind, Risse quer durch die Fassade, in denen Vogelnester steckten, auf dem Balkon an Wäscheleinen fleckige Unterhemden, im Hof auf Böcken die Karosserie eines ausgeschlachteten Jeeps. Sein Sohn saß oft vor diesem Café in der Fußgängerzone und rauchte. Wir gingen in die gleiche Schule. Er war ein paar Klassen über mir; ich glaube, er stand vor dem Abitur. Er war ein richtiger Frauenheld, verschenkte auf dem Pausenhof Gras und trampte im Sommer durch Marokko.
    Ich sprang hoch, um über die Mauer ins Wohnzimmer zu sehen, aber es brannte kein Licht. Manchmal lag er mit einer seiner Freundinnen auf dem Berberteppich und fummelte, was das Zeug hielt. Ich sprang noch einmal hoch, riß eine Heckenrose ab, formte aus der Blüte zwei Knödel und steckte sie mir in die Nase, um den Plastikgeruch des Tretbootes nicht ertragen zu müssen.
    Der Mond schien hell. Ich zog das Tor auf und lief über die Liegewiese. Bevor ich beim Schuppen um die Ecke bog, hielt ich den Atem an und horchte. Manchmal saßen um diese Zeit Paare in den Booten. Ich wollte niemanden stören, außerdem wollte ich allein sein. Ich konnte nicht in die Sterne gucken, während vielleicht ein anderer auf meinen Rücken starrte und sich irgend etwas über mich zusammenreimte. Ich stieg in eines der Boote, streckte mich auf dem kantigen Sitz, zündete einen Zigarillo an und blies den Rauch in die Nacht. Dort war der Polarstern, da der Große Wagen. Das Gefieder einer Ente schimmerte im Schilf.
    Plötzlich kamen Geräusche vom Schuppen; ich spuckte den Zigarillo ins Wasser und duckte mich hinters Steuerrad.
    »Komm«, sagte ein Mann. Ich hatte die Stimme schon einmal gehört. »Schaffst du's? Warte, ich helf dir. Hier, nimm meine Hand.«
    Dann liefen sie über die Planken; zwei Personen, dachte ich, ein festes, stumpfes Tapsen und ein hartes, spitzes Klacklacklack.
    »Schön«,

Weitere Kostenlose Bücher