Die Hebamme von Venedig
wichtiges Instrument für eine Frau ihrer Profession also.« Er sah die Contessa an. »Lucia? Hast du eine Vorstellung, wovon Hannah da redet?«
Die Contessa schüttelte den Kopf. Natürlich wusste sie von nichts. Sie war mehr oder weniger ohnmächtig gewesen, als Hannah die Geburtslöffel benutzt hatte.
Hannah sah Jacopo an, der vor Wut ganz weiß wurde.
»Das geht nun aber wirklich zu weit. Will sie ein Mitglied der Familie di Padovani beschuldigen, etwas an sich genommen zu haben, das ihr gehört? Sie genießt unsere Gastfreundschaft und macht uns solche Vorwürfe?«
»Aber nein, natürlich nicht. Das meine ich nicht. Ich wollte niemanden verletzen«, stammelte Hannah. »Es ist nur so, dass ich dachte, ich hätte sie in meiner Tasche, als ich am Morgen nach Matteos Geburt den Palazzo verließ, aber als ich dann in der Gondel saß, waren sie nicht mehr da. Vielleicht habe ich sie irgendwo fallen lassen.«
Der Conte schnipste mit den Fingern. »Hole Giovanna«, sagte er zu einem der Diener. »Sorge sie sich nicht, meine Liebe. Wenn sie hier sind, werden wir sie mit Sicherheit finden.«
Jacopo erhob sich vom Tisch.
»Mach dir keine Umstände, Jacopo.« Der Conte signalisierte seinem Bruder, sich wieder zu setzen. »Für so etwas haben wir schließlich unsere Dienerschaft.« Er klang wie ein Erwachsener, der mit einem Kind redete.
Augenblicke später kam Giovanna herein, den nach ihr ausgesandten Diener hinter sich. Sie rieb sich die Hände an der Schürze ab. Das Mieder ihres Kleides wirkte eilig zugeschnürt. Gut, dachte Hannah, sie hat Matteo gestillt. Kein Wunder, dass der Junge so prächtig gedeiht. Von Lucia allein würde er nie genug Milch bekommen.
Jacopo wandte sich an Giovanna. »Es gibt da ein Problem. Die Hebamme behauptet, sie habe ihre Geburtslöffel verlegt. Könnte sie bitte danach suchen.«
Giovanna sah Jacopo an. »Ich bin nicht sicher, wo sie sind, Euer Hochwohlgeboren. Als ich sie zuletzt gesehen habe …«
Jacopo unterbrach sie: »Ich hoffe, sie hat sie nicht an sich genommen, Giovanna?«
»Das habe ich nicht, das wisst Ihr doch.« Giovanna verlagerte ihr Gewicht verlegen von einem Fuß auf den anderen und wich dabei dem Blick des Conte aus. »Als ich sie zuletzt gesehen habe, hattet Ihr sie.«
»Aber das ist ja lächerlich, Giovanna«, sagte Jacopo. »Was sollte ich mit so einer Vorrichtung anfangen?«
»Genug!«, sagte der Conte. »Jacopo, geh mit Giovanna. Holt dieses … Geburtsinstrument und bringt es her. Guter Gott, Bruder, was auf dieser Welt willst du damit?«
Jacopo stampfte aus dem Esszimmer, den Mund zu einer schmalen Linie zusammengekniffen, Giovanna direkt hinter sich. Hannah fragte sich, was zwischen den beiden wohl vorgehen mochte, wenn sie außer Hörweite des Conte waren.
Lucia schüttelte den Kopf und schien eindeutig verlegen. »Ich kann mir nicht vorstellen, was das zu bedeuten hat, kannst du es?«
»Ja, das kann ich. Nur zu gut«, erwiderte der Conte.
»Ein harmloses Missverständnis«, sagte Niccolò und nahm einen Schluck Wein. »Nicht mehr, da bin ich sicher.«
Minuten später kam eine aschfahle Giovanna mit Jacopo an ihrer Seite zurück. Sie hielt die in ein Tuch gewickelten Löffel in der Hand, das sie an der Seite anhob, damit der Conte daruntersehen konnte. Die Löffel waren immer noch voller Schleim und Blut von der Geburt, und der Conte bedeutete Giovanna mit einer Geste, sie solle sie Hannah geben, die sie in die Tasche zu ihren Füßen steckte. Mit einem Klacken fielen sie auf den Beutel Dukaten. Erleichterung erfüllte sie. Jetzt hatte sie ihr Instrument und die Dukaten, und wenn sie sich weder das eine noch das andere wieder abnehmen ließ, würde sie nach Malta segeln und hoffentlich noch rechtzeitig dort ankommen, um Isaak retten zu können. Der Conte hatte ihr eine große Last von den Schultern genommen.
»Sie kann jetzt gehen, Giovanna«, sagte der Conte, worauf die Angesprochene mit niedergeschlagenem Blick und mürrisch heruntergezogenen Mundwinkeln den Raum verließ. Sie beendeten das Essen in Schweigen gehüllt.
Schließlich kam ein Hannah noch unbekannter Bediensteter herein und flüsterte dem Conte etwas ins Ohr, der daraufhin nickte und von seinem Stuhl aufstand.
»Wir können aufbrechen. Die Flut steht günstig, unser Schiff ist beladen und reisefertig. Wir werden ein paar Tage, vielleicht auch Wochen weg sein, je nachdem, wie es Lucias Vater geht. Jacopo, Niccolò, ich erwarte von euch, dass ich in ein friedvolles Haus
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