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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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zurückkomme. Verstehen wir uns?«
    Die beiden Brüder nickten.
    Jetzt würde Jacopo sicher nicht mehr versuchen, ihr die Dukaten abzunehmen, dachte Hannah.
    Der Conte legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich entschuldige mich für das, was hier heute Abend ans Licht gekommen ist, und ich danke ihr für ihr Kommen. Ein Diener wird sie sicher nach Hause geleiten.« Er bot der Contessa seinen Arm an. »Komm, meine Liebe. Bist du so weit?«
    Hannah nahm ihre Tasche und folgte dem Paar hinaus auf den Anleger, wo die Gondel vertäut lag, die es zum Schiff bringen sollte. Die Diener schleppten die letzten Gepäckstücke an Bord. Wahrscheinlich würde sie die beiden nie wiedersehen, genauso wenig wie ihren hübschen Sohn.
    »Ich danke Euch für alles«, sagte sie zum Conte.
    »Wird sie uns besuchen, wenn sie aus Malta zurück ist?«
    »Ja«, sagte Hannah, sosehr sie in ihrem Herzen daran zweifelte. »Darf ich Euch noch um einen letzten Gefallen bitten? Ich würde mich gerne von Matteo verabschieden.«
    »Natürlich. Gehe sie nur hinauf«, sagte die Contessa. »Er liegt oben in seinem Bett.« Lucia strich Hannah über die Wange. »Ich glaube, sie liebt Matteo so sehr, wie ich ihn liebe.«
    »Er ist ein wunderschönes Baby«, antwortete Hannah.
    Die Contessa gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Gehe sie zu unserem Sohn, küsse sie ihn und reise sie sicher nach Malta.«
    »Ich wünsche Euch Gesundheit und Wohlergehen«, sagte Hannah.
    Sie stand auf dem Anleger und winkte dem Paar zu, als es die Gondel bestieg und der Gondoliere die Leinen losmachte und davonfuhr. Den beiden stand eine lange Schiffsreise bevor, und dann ging es noch drei Tage über Land. Vielleicht war es weise, Matteo sicher zu Hause zu lassen.
    Als Hannah zurück in den Palazzo trat, waren die Brüder nirgends zu sehen. Sie drückte sich ihre Tasche an die Brust und hörte das beruhigende Klacken der Dukaten. Aus dem Esszimmer, wo die Bediensteten den Tisch abräumten, klang das Klirren von Geschirr und Besteck herüber.
    Sie eilte die Stufen hinauf und musste daran denken, wie schüchtern sie diese Treppe beim ersten Mal hinaufgegangen war. Heute stellte sie die Füße fest mitten auf die Stufen. Oben angekommen, lief sie den Gang hinunter zu Lucias Schlafzimmer, das ganz an dessen Ende lag. Der dicke Teppich schluckte den Klang ihrer Schritte. Hannah trat ins Zimmer und warf einen Blick auf das leere Bett der Contessa, das so sauber und ordentlich wirkte, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass eine Frau darin zwei Tage und zwei Nächte lang zwischen Leben und Tod schwebend um die Geburt ihres Sohnes gerungen hatte.
    Auf Zehenspitzen lief Hannah zum Kinderbett mit dem Padiglione in den Farben der di Padovanis hinüber. Es würde ihr letzter Abschied von dem Jungen sein, dem sie in diesem Zimmer auf die Welt geholfen hatte. Schon jetzt schmerzte sie der Gedanke, ihn nie wiederzusehen. Am besten verließ sie den Palazzo möglichst schnell, doch das ging nicht ohne einen letzten Blick auf Matteo. Warum zog es hier so? Sie wandte den Kopf und sah, dass das Fenster offen stand. Zu viel Luft würde dem Kleinen nicht guttun; sie lief zum Fenster und schloss es. Dann stieg sie vorsichtig über den schützenden Salzkreis, schob den Vorhang zur Seite und beugte sich vor, um dem kleinen Matteo einen Kuss auf die Wange zu geben.
    Doch das Bett war leer.

Kapitel 12

    I n den letzten Wochen hatte sich Isaaks Schicksal, wenn schon nicht gewendet – denn wie sollte er von einer Wende sprechen, wenn er nur schimmliges Brot und halb verrotteten Fisch zu essen bekam? –, so aber doch verbessert. Er hungerte nicht mehr, hatte eine Unterkunft und sogar ein wenig Beschäftigung. Nachts schlief er in Josephs Stall, bei Wagen, Karren und Pferden, die rastlos die ganze Nacht hindurch ihr Heu kauten, und was machte es schon, wenn ihm die Ratten an den Zehen knabberten, bevor er endlich in Morpheus’ Arme glitt? Das konnte einem überall passieren, selbst in Venedig.
    Zum Glück hatte Isaak Joseph überzeugen können, dass er ihm mehr Geld einbrachte, wenn er auf dem Platz Briefe schrieb, als wenn er sich auf einer Sklavengaleere zu Tode ruderte. So war Isaak also ein Schreiber geworden. Zwei Drittel seiner mageren Einkünfte, ob nun bar oder in Naturalien bezahlt, wanderten direkt in Josephs schmutzige Tasche, das verbleibende Drittel bekam Isaak. Der wichtigere Teil des Handels zwischen den beiden war jedoch folgender: Sollte Isaak das Herz der Witwe Gertrudis für Joseph

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