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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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Wort zum Conte, und ich denunziere sie.«
    Jacopos Kopf kam ihr so nahe, dass sie die winzigen Stoppeln an seinem Kinn und die Schuppen in seinem schütteren Haar und auf seinen Satinschultern sehen konnte.
    Was würde Isaak ihr raten? Wie sie sich doch nach ihrem klugen Mann sehnte, der immer wusste, was zu tun war.

Kapitel 11

    D ie Contessa schwatzte und lachte, als sie schließlich die Halle hinuntergingen, die von der Seite des Palazzos am Canal Grande zur Hinterseite führte. Immer noch erschreckt von ihrem Gespräch mit Jacopo, hörte Hannah nicht ein Wort von dem, was die Contessa sagte. Lucia, die sich an Hannahs Arm festhielt, schien davon nichts zu merken.
    Beim Betreten des opulenten Esszimmers wurde Hannah langsamer, und die Contessa passte ihren Schritt dem der jungen Hebamme an. Jacopo ging so dicht hinter ihnen, dass er ihnen fast auf die Säume ihrer Kleider getreten wäre; jetzt schob er sich schnell an ihnen vorbei und setzte sich neben Niccolò.
    Auf dem Tisch prangte ein mächtiger Tafelaufsatz, eine perfekte goldene Nachbildung der Bucintoro, des repräsentativen Staatsschiffs des Dogen, mit dem er einmal im Jahr im Kreise erlauchter Gäste auf die Lagune hinausfuhr, um die rituelle Heirat Venedigs, der Serenissima, mit dem Meer zu feiern. Das goldene Deck lag voller Erdbeeren, Feigen, Trauben und Äpfel. Alles Porzellan und alles Silber trug das Wappen der Familie di Padovani: kämpfende Hirsche mit verschränkten Geweihen. Nichts hier war provisorisch, nichts hier diente einem Zweck, für den es nicht eigens geschaffen worden war. Zu Hause in ihrem Loghetto benutzte Hannah die ehemalige Zange eines Glasbläsers, um die Kohlen in ihrem Kohlenbecken zu verteilen, und der alte, angeschlagene Teller, von dem sie aß, hatte sein Dasein einmal als kleine Servierplatte begonnen.
    Der Conte und Niccolò steckten gerade die Köpfe zusammen. Jacopos Schädel mit dem lichten braunen Haarkranz wirkte neben Niccolòs üppigem, seltsamerweise nassem Lockenschopf besonders kahl, wie eine Kanonenkugel neben einem Spaniel, der eben erst noch in einem See gebadet hatte.
    Der Conte stand auf, begrüßte sie und sagte: »Hannah, meine Liebe, danke, dass sie gekommen ist. Sie hat ihr Amulett bereits zurück, wie ich sehe.« Er nickte in Richtung des silbernen Anhängers, der an der roten Kordel um ihren Hals hing, küsste ihr die Hand und lächelte so herzlich, dass sie einen Moment lang Jacopos Drohung vergaß.
    »Ah, ja«, sagte Jacopo. »Wie schön von ihr, zu kommen.«
    Niccolò trat ebenfalls vor, um Hannah zu begrüßen, und seine dunklen Augen sahen so aus, als sei er gerade aus einem besonders befriedigenden Schlaf erwacht. Er trug ein grobes, angeschmutztes Leinenwams, küsste zuerst Lucia auf die Wange und wandte sich dann an Hannah. »Trinkt sie etwas Wein?«, fragte er und gab, ohne eine Antwort abzuwarten, einem Diener ein Zeichen, der mit einem Kristallglas vortrat und es auf den Tisch stellte. Der Wein darin war so schwarz wie das Kanalwasser draußen.
    Hannah und Lucia setzten sich den Männern gegenüber auf armlehnenlose Stühle und arrangierten ihre Kleider. Hannah fühlte sich steif und unbehaglich. Wenn sie nervös war, zog sie immer die Schultern hoch. Im Ghetto aßen Männer und Frauen nicht zusammen. Die Frauen trugen den Männern auf und zogen sich zurück, bis diese fertig waren. Erst hinterher aßen sie selbst etwas. Hannah verwirrte der livrierte Diener, der direkt hinter ihrem Stuhl stand und jede Bewegung, die sie machte, und jeden Wunsch, den sie hatte, vorherzusehen schien.
    Nur an Seder-Abenden hatte Hannah bisher etwas Wein getrunken. Sie fasste das Glas bei seinem zerbrechlichen Stiel, hob es an die Lippen und nahm einen Schluck. Der Wein schmeckte sauer und kräuselte ihr die Lippen, wie es auch eine Zitrone tun würde. Sie stellte ihn zurück auf den Tisch. Ohne ein Wort nahm der Conte einen Krug Wasser und schüttete etwas davon in Hannahs Glas, was den Wein wässrig rosa werden ließ. Hannah bedankte sich mit einem Nicken. Er wollte es ihr behaglich machen, aber seine Fürsorge und seine achtsamen Blicke erhöhten ihre Anspannung nur noch.
    Der Conte wandte sich an seine Frau. »Und du, Lucia, geht es dir heute besser? Kein Husten mehr?« Er beugte sich vor und strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. »Iss eine Feige. Ich habe sie vom Gut mitgebracht. Sie sind in diesem Jahr wunderbar süß und unglaublich klebrig.« Er griff in den Bucintoro und riss eine kleine braune

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