Die Hebamme von Venedig
gefallen könnte«, fuhr sie fort und sah ihn eindringlich an, »aber der scheint nicht interessiert zu sein.«
Isaak zögerte und überlegte, ob er aussprechen sollte, was ihm auf der Seele lag. Wenn Gertrudis ihm so zugetan war … Er musste deswegen ja nicht gleich … Im Übrigen war sie die Frau, die bei der Sklavenauktion vorgetreten war und Schwester Assunta die fünf Scudi gegeben hatte, damit die ihn Joseph abkaufen konnte.
»Was, wenn ich Euch sagen würde, dass meine Freiheit davon abhängt, ob Ihr seinem Werben nachgebt?«
Gertrudis sah ihn prüfend an. »Er macht Witze?«
»Fleht ein Seemann auf sturmhoher See Gott an, ihn zu erretten, weil er einen Witz machen will?«
»Beantworten alle Juden eine Frage mit einer anderen Frage?«
»Gibt es einen Grund, warum sie es nicht tun sollten?«
Gertrudis lachte, und das Lachen schien tief aus ihr aufzusteigen. Sie hatte die längsten Wimpern, die er je gesehen hatte, und Augen so blau wie die wilden Beeren, die am Rand von Valletta wuchsen. Wie konnte dieser Tölpel denken, sie wären dunkel?
Isaak schluckte allen Stolz hinunter und sagte: »Ich sehe, dass es keinen Zweck hat, für Joseph einzutreten, aber könntet Ihr vielleicht mir zuliebe so tun, als ob Ihr ihn liebtet, damit er mich freilässt? Wenn ich erst weg bin, könnt Ihr ihn in einen Topf werfen und von mir aus Suppe aus ihm kochen.«
»Warum sollte sein Los mir auch nur so viel bedeuten?« Sie sagte das in neckischem, leicht anzüglichem Ton, der ihn wünschen ließ, möglichst weit von ihr weg zu sein.
»Ich habe eine liebende Frau, die in Venedig auf mich wartet, und werde alles, was in meiner Macht steht, tun, um zu ihr zurückzukommen«, sagte er.
»Sie muss unter dem Neid vieler Frauen leiden.«
Isaak versuchte zu erkennen, ob sich ihr Mund ironisch verzog, doch sie schien es ernst zu meinen. Er kam sich unglaublich dünn und elend vor, aber vielleicht hatte er sein gutes Aussehen ja noch nicht ganz verloren. Trotzdem, nein, nein, das konnte nicht sein … Wenn sie ihn nur nicht so ansähe!
Er hoffte, er konnte ihr trauen. »Gut, ich verstehe, dass Ihr nicht so tun könnt, als schenktet Ihr Joseph Euer Herz, aber könnt Ihr ein Boot für mich finden? Ihr müsst doch jemanden mit einem Ruderboot kennen. Einem Boot, mit dem ich hinaus zu einem der Schiffe rudern könnte, die vor dem Hafen liegen, um mich im Dunkel der Nacht an Bord zu schleichen.«
Gertrudis schüttelte den Kopf. »Viele Sklaven haben das schon probiert, aber kaum einer mit Erfolg. Warum wartet er nicht darauf, dass sein Lösegeld gezahlt wird?«
Er spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Er würde nicht zugeben, dass ihm sein Volk nicht zu Hilfe kommen wollte. »Ein kleines Boot? Und ein Ruder? Ist das eine so große Bitte?«
Sie überlegte. »Mein Cousin hat eine kleine Piroge, die ich bekommen könnte, aber ich muss ihn um etwas im Austausch dafür bitten.«
»Was immer in meiner Macht steht, werde ich tun«, sagte Isaak.
»Schreib er mir einen Brief so fein, dass er das Herz dieses Mannes gewinnt, nach dem ich so verrückt bin. Und wenn er gut genug ist und sich dieser Mann tatsächlich in mich verliebt, beschaffe ich ihm sein Boot. Und um ihm zu zeigen, wie dankbar ich bin, werde ich ihm zusätzlich noch seine Fahrt zurück nach Venedig bezahlen.«
»Das ist ein sehr großzügiges Angebot.« Isaak war verwirrt. »Jetzt glaube ich, dass Ihr Witze macht. Ihr seid viel zu gut für die Männer dieser Insel, die, soweit ich es beurteilen kann, nicht besser sind als unbeschnittene Hunde.«
Sie grinste, und er verfluchte sich dafür, von Beschneidung gesprochen zu haben. Sicher, bisher hatte er noch keinen Gedanken daran verschwendet, aber christliche Frauen mussten neugierig auf so etwas sein. Das war nur natürlich.
»Treffe er mich in einer Woche in der kleinen Bucht südlich des Hafens. Ich werde das Boot meines Cousins mitbringen. Er bringt den Brief, und ich gebe ihn auf der Stelle seinem Empfänger. Dann werden der Mond, die Sterne und ein guter Wein den Rest tun.«
»Dürfte ich den Namen des Glücklichen erfahren?«
Gertrudis nahm seine Hand und drückte sie mit erschreckender Kraft.
Kapitel 16
N achmittagsschatten reckten sich über den Esstisch, an dem Hannah und Jessica saßen und Steckrübensuppe aßen. Eine Tasche mit labbrigem Salat und Sellerie lag in der Ecke, wo Jessica sie nach ihrem Gang zum Markt abgestellt hatte.
Hannah hatte die Tür knarren hören, als Jessica frühmorgens von
Weitere Kostenlose Bücher