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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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Kreißende aufgerichtet, damit alles nur schneller geht. Sogar die Wöchnerin hat sie noch gerufen, um gegen mich vorzugehen. Und dann hat eine von den Weibern die Tür verkeilt, aber ich hab’s trotzdem noch gehört, was die Langwasser gesagt hat.«
    Anna Textor holte Luft. Sie genoss es, die volle Aufmerksamkeit des Professors zu haben.
    »›Das schafft er nicht mehr, der Professor‹, hat die Langwasser gesagt, ›diesmal nicht.‹«<
    Auf der anderen Seite der Tür stellte der Säugling endlich das Schreien ein, dafür kam aus der Kammer der gedehnte Klagelaut einer Gebärenden.
     
    Drinnen befand sich Gesa zu den Füßen der Frau, die ihr Kind gebar. Diese stand vor dem Bett, umrahmt von den anderen, sie stützenden Frauen. Sie hatten ihr die Rocksäume im Bund befestigt, damit Gesa ungehindert die Geburt leiten und das Kind in Empfang nehmen konnte. Sie umfingen ihre Körpermitte und hielten sie an den Händen.
    Während der Kopf des Kindes hervortrat, hörte Gesa hinter sich gedämpfte Rufe, energisches Klopfen, das Rütteln an der Tür, unter deren Klinke ein Stuhl geschoben war.
    Die Wöchnerin war blitzschnell gewesen, als die Textor tobend die Kammer verließ. Nachdem die Tür hinter ihr verschlossen war, hatte es einen überraschten Moment der Erleichterung unter den Frauen gegeben, ja fast Ruhe, obwohl das Kleine schrie. Jetzt trank es mit aufgebrachter Gier an der Brust seiner Mutter, die von der Tür zurückwich. Ihre Augen waren auf den Stuhl geheftet, der unter den Stößen, die von außen kamen, langsam unter der Klinke fortglitt und schließlich krachend zur Seite flog.
    Flüsternd trieb Gesa die Gebärende an, lenkte sie ab von dem, was an der Tür geschah, befahl ihr, die Augen zu schließen und alle Kraft in die nächste Wehe zu legen. Sie griff nach den Schultern des Kindes und fing den glitschigen, warmen Körper auf. Sie fuhr ihm mit dem Finger in den Mund, rieb seine Glieder mit ihrer Schürze ab. Erst dann fiel ihr auf, dass vollkommenes Schweigen herrschte.
    Sie wandte sich zur Tür und blickte in die versteinerte Miene des Professors, während das Neugeborene in ihrem Schoß ein zittriges Quäken von sich gab. Es beunruhigte Gesa, dass der Professor die Kammer nicht betrat. Hinter ihm, wie einen Schatten, erahnte sie Anna Textor.
    »Bringen Sie das zu Ende, Langwasser«, sagte Kilian kalt. »Und dann gehen Sie.«
    Es gab den einen Teil in ihr, der sofort verstand. Der andere weigerte sich und suchte nach Worten. Aus den Augenwinkeln sah Gesa, wie die Wöchnerin sich mit ihrem Kind an der Brust in die Fensternische drückte.
    »Die Tür …«, stammelte die Frau, »… das war …«
    »Ich habe die Tür geschlossen«, unterbrach Gesa sie, »weil eine Unruhe und Aufregung war. Ich wollte …«
    »Was Sie wollten, haben Sie erreicht, wie ich sehe«, sagte der Professor. »Wenn Sie jetzt versuchen möchten, eine Ausrede dafür zu finden, dann würde ich das für eine weitere Vermessenheit halten. Ich selbst muss mir vorwerfen, Ihnen jemals Aufgaben übertragen zu haben, die über jene einer Hebammenschülerin hinausgingen. Sie haben die Dinge offenbar gründlich missverstanden, und das spricht nicht eben für Ihre geistige Reife.«
    Er vermied es, die Gruppe der Frauen länger zu betrachten. Stattdessen studierte er die Schnitzereien auf dem Knauf seines Gehstocks, als entdecke er soeben etwas Neues daran.
    »Sie haben sich herausgenommen, die Haushebamme auszusperren«, sagte er, »aber tatsächlich verhält es sich so, Langwasser, dass Sie sich diese Tür vor der Nase zugeschlagen haben. Ich wünsche, dass Sie das Haus verlassen. Und zwar noch heute.«
    Er wandte sich zum Gehen.
    »Meine Prüfung«, flüsterte Gesa.
    »Fällt aus«, hörte sie Kilian sagen. »Sagte ich das nicht? Nabeln Sie das Kind ab, und kümmern Sie sich um die Nachgeburt. Sie machen das sicher vorzüglich.«

    Er war schon angekleidet, als die Wirtin klopfte und Pauli ins Zimmer ließ, was dem Jungen offensichtlich nicht behagte. Mit gesenktem Kopf trat er von einem Bein aufs andere und murmelte, er müsse schnell weiter, den Studiosi wegen der Geburt Nachricht geben.
    »Sollst du, mein Junge«, sagte Clemens, während er den zweiten Stiefel anzog und nach seinem Rock griff, »ich komme gleich mit dir hinaus. Aber da wir schon unter uns sind, lass dich mal anschauen.« Er winkte ihn ans Fenster. Der Junge näherte sich zögernd, und als Clemens ihm unter das Kinn griff, fuhr er zusammen.
    »Ich meine doch, das wird

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