Die Hebamme
Körper, es gab ihm etwas mannhaft Possierliches – ihr gefiel das.
Sie selbst hatte im Vorübergehen an den Fenstern ihr Spiegelbild einer schnellen Prüfung unterzogen und war zufrieden mit sich. Ihr Kleid aus elfenbeinfarbenem Linon bekam seine Wirkung mit einem bestickten Langschal, den Caroline so zu tragen wusste, dass er im Dekolletee die Spuren der Zeit verhüllte, ihren langen Hals jedoch schmeichelnd zur Geltung brachte.
»Halt, mein Herr«, zwitscherte Caroline, »es ist eindeutig zu früh, diesen Saal zu verlassen.« Sie kam gerade rechtzeitig, um ihn davon abzuhalten. »Verzeihen Sie bitte«, sie senkte den Blick, nur um ihn unter ihrer fein geschwungenen Braue wieder emporschnellen zu lassen. Sie schätzte es, mit einem Mann auf einer Augenhöhe zu sein. »Ich weiß, ich sollte mich Ihnen bekannt machen lassen. Aber mir schien Eile geboten, und so will ich ausnahmsweise gegen die Etikette verstoßen. Ich bin Caroline Fessler. Und Sie sind Professor Kilian, nicht wahr?«
Er verbeugte sich und deutete einen Handkuss an – sehr galant, dachte sie.
»Sie sind die …«, er räusperte sich, »… Sie sind eine Verwandte des glücklichen Bräutigams?«
»Ich bin die glückliche Mutter des glücklichen Bräutigams«, sagte Caroline. Sie ließ ihren Fächer aufschnappen, womit Kilian die Motive der Fresken von Pompeji besichtigen konnte. Sie hatte ihn sich etwas kosten lassen, und er musste bedient werden, so oft es nur ging.
Der Professor räusperte sich wieder, schien grüblerisch für einen Moment.
»Die schöne Mutter des Bräutigams also«, sagte er. Ihr Lächeln hinter dem Fächer freute ihn offenbar, denn er erwiderte es. Caroline kam nicht umhin, das einnehmend zu finden.
»Ich weiß nun gar nicht mehr recht«, sagte sie, »ob mein Sohn mir erzählte, dass Sie im Collegium medicum einer seiner Prüfer waren?«
»Nein, leider hatte ich nicht das Vergnügen, mich persönlich von der Eignung Ihres Sohnes zum Apotheker zu überzeugen, da ich erst kürzlich … Doch ich bin sicher, er verfügt über profunde Kenntnisse.«
Caroline gab ein Seufzen von sich, einen kleinen hellen Ton, der nicht zu bekümmert klingen sollte.
»Ja, inzwischen lässt sich das zweifellos und ohne zu lügen behaupten. Ich will offen sein, Herr Professor. Es war der zweite Anlauf. Der Tod seines Vaters hatte Lambert mitgenommen, es riss mir das Herz entzwei, ihn so leiden zu sehen. Es waren schmerzvolle Zeiten für uns beide. Doch meine Pflicht als Mutter ließ mich meinen eigenen Kummer niederringen, um meinen Sohn zu stärken. So hat es letztendlich uns beiden geholfen, glaube ich. Doch genug davon.« Sie hob den Kopf und zeigte sich tapfer. »Es erfüllt mich mit Stolz, welchen Ehrgeiz mein Sohn nun doch noch entwickelte, damit er als geprüfter Apotheker in die Ehe gehen konnte.«
Sein Blick folgte dem ihren in den Saal zu den unermüdlichen Tänzern, die sich soeben zu einer Gavotte im Kreis formierten.
»Ein wirklich schönes Paar«, sagte Kilian.
»Ja, ich bin sicher, sie beide haben das Talent, glücklich zu werden. Thereses Mutter sagt, das gute Kind träumte bereits die Namen ihrer ersten Töchter. Sie träumt von Töchtern – ist das nicht bezaubernd? Vielleicht hat es damit zu tun, dass alle Nachkommen der Familie Herbst weiblich sind; sie kann sich etwas anderes wohl noch gar nicht vorstellen. Und so hat es sich doch für beide Familien gut gefügt, nachdem keine von Thereses älteren Schwestern einen Apotheker geheiratet hat. Somit ist die Universitätsapotheke ja sozusagen ihre Mitgift – im Ehevertrag sind die Bedingungen natürlich dezidiert festgehalten; es ist doch verständlich, dass ein Mann wie Herbst Bedingungen festlegt, nicht wahr. Umso mehr bedeutet beiden Familien die Verbindung unserer Häuser, können Sie das verstehen?«
Sein Nicken war höflich. Zu höflich, möglicherweise nur höflich. Carolines Hand, die in langen, weißen Glacees steckte, flog mit einer flüchtigen Berührung über den Arm des Professors.
»Ich langweile Sie. Wie unverzeihlich«, sagte sie.
»Aber nein, Madame, ich muss Sie um Verzeihung bitten, wenn ich diesen Eindruck erwecke. Ich bin es wohl einfach zu wenig gewöhnt, mit einer so reizenden Dame zu parlieren.«
»Oh«, hauchte Caroline, »ich verstehe … Das Haus Am Grün ist für dergleichen sicherlich nicht …«
Wieder bemühte sie sich, in seiner Miene zu lesen. Es war schwer zu erkennen, was in ihm vorging, doch etwas sagte ihr, dass sie keinen
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