Die Hebamme
er ihr – verlegen zunächst, in der Sache jedoch sicher – erklärt, dass der Gebärstuhl ihm die Untersuchung erleichterte. Im Übrigen waren sie übereingekommen, auf die Anwendung des Pelvimeters der Hebamme Loisin zu verzichten. Elgin hatte die konkaven Bögen des Messinstruments betrachtet und seinen Mechanismus überprüft, der die Maßstäbe spreizte wie einen sich öffnenden Zirkel.
»So, wie es aussieht, bereitet es Schmerzen«, hatte sie gesagt.
»Ich bin von seiner Anwendung nach wenigen Versuchen abgekommen. Das beste Resultat zur inneren Messung liefern die Hände.«
»Sagte sie es nicht selbst, die Loisin?«
»Ja.«
»Glauben wir ihr.«
Es gab keinen Moment der Scham.
Weder, als der Arzt zwischen ihren Beinen kniend seine Hände einölte, was sie überraschte, noch, als er seinen Ellenbogen auf dem Oberschenkel abstützte und sie sein Räuspern zum Anlass nahm, ihr Kleid zu raffen. Allerdings senkte Elgin den Blick vor den Porträts ihrer Eltern zwischen den Wandleuchtern, während sie auf die ruhige Stimme hörte, auf Worte, die sie tausendfach Frauen zugesprochen hatte, damit sie sich unter dem tastenden Zugriff in ihrem Innern entspannten. Sie wollte sich einprägen, wie schwierig dies war. Im Besonderen, um zu der Diagnose zu kommen, deretwegen der Arzt mit zwei Fingern der linken Hand ihre conjugata diagonalis vermessen hatte, um mit der rechten den Tasterzirkel zu bedienen, von dem er die Werte ablas.
»Wenn ich Ihre Miene richtig deute«, sagte sie, »haben Sie das Ergebnis vorgefunden, was ich befürchtete und Sie offensichtlich ebenso ahnten. Damals schon, nach unserer Unterredung im Accouchierhaus.«
»Als Sie mir von dem Beckenbruch erzählten, den der Schaukelsturz in Ihrer Kindheit verursachte. Ja, damals dachte ich, wenn Sie …« Er rollte die weiten Hemdsärmel hinunter und griff nach seinem Rock, der über einem der Stühle hing.
»Sie dachten«, sagte Elgin, »… als ich behauptete, dass kein Grund zur Sorge bestünde, Sie dachten, wenn ich jemals schwanger würde, dann aber doch.«
»Nun, ich wusste nichts über Sie …«
»Was sich auch jetzt nur geringfügig geändert haben dürfte …«
»Ganz wie Sie meinen.«
»Tun Sie mir die Liebe, Herr Doktor Heuser, setzen Sie sich, und verzeihen Sie mir, dass ich ekelhaft bin. Ich habe einen guten Wein nebenan, und den trinken Sie bitte mit mir, während wir weitersprechen. Dabei ziehen Sie gelegentlich in Betracht, dass ich es niemals gewünscht habe, mich in dieser Lage zu befinden.«
Er sah auf die Zahlen, die er notiert hatte. Er hörte sie umhergehen in dem angrenzenden Zimmer, wo er die äußeren Messungen vorgenommen hatte, während sie mit entblößtem Rücken vor ihm stand, und ihm später, auf dem Bett liegend, ermöglichte, den Zirkel anzusetzen, ohne dass ein Hemd störte.
Sie kam zurück mit einem Lächeln, der Weinkaraffe und zwei Gläsern. Nachdem sie ihnen eingeschenkt hatte, nahm sie in seiner Nähe Platz, sodass sie auf einer Seite des Tisches saßen, und hob ihr Glas.
»Mein Becken also«, sagte sie.
»Seine Höhle scheint durch die Fraktur beeinträchtigt«, sagte Clemens, »nach dieser ersten Messung – der noch weitere folgen sollten – zeigt sich seine Form ungleichmäßig und in besonderer Weise verengt.«
»Was für einen natürlichen Geburtsvorgang von erheblichem Nachteil ist.«
»Sie wissen, welche Komplikationen es bedeuten kann.«
»Sofern sich das Kind ungünstig im unteren Beckenausgang feststellt, was bei einer Deformation zu erwarten ist: stundenlange Qual der Gebärenden unter vergeblich treibenden Wehen, Stillstand, ein Totgeborenes. Es kann beide das Leben kosten, Mutter und Kind. Besonders doch, wenn man sich zu einer Operation entschließt.«
Sie ließ den Wein in ihrem Glas kreisen und trank dann davon.
»Es ist dies der schlimmste aller anzunehmenden Fälle«, sagte Clemens, »der vor allem dann eintritt, wenn erst der Geburtsverlauf die Diagnose liefert. Daher, Gottschalkin, sehe ich für uns einen durchaus ermutigenden Vorteil.«
»Für uns.«
»Für die Situation, wenn Sie so wollen. Eine frühe Diagnose eröffnet verschiedene Möglichkeiten einzugreifen, Komplikationen gar nicht erst entstehen zu lassen. Eine vorzeitige Einleitung der Geburt etwa …«
»… eine frühe Wendung des Kindes«, ergänzte sie, »um einer ungünstigen Schädellage vorzubeugen.«
»Ja, eine Wendung auf die Füße wäre die erfolgversprechendste. Bei guter und regelmäßiger Beobachtung
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