Die Hebamme
setzte, schob Marthe ihr die Papierrolle in die Hände und zog das Band auf, das diese zusammenhielt. Dann trat sie hinter ihre Herrin und löste mit einem Griff ihr Haar. Bevor Gesa ging, konnte sie noch sehen, wie es in einer dunklen Welle hinabschwang.
Unter Elgins Händen entrollte sich ein Kupferstich Adrian Büttners. Ein Neugeborenes, schlafend schien es, die Fäuste vor das Gesicht gehoben. Die offenbar eilig mit Rötelstift hingeworfene Zeile war ein wenig verwischt. Entgegen allen Widerstandes, den ich aufzubringen bemüht war, finde ich Freude an meinem Kind, Gottschalkin, und werde sie fortführen in der Arbeit an Ihrem Buch.
Marthe, die ihrer Herrin das Kleid aufknöpfte und es sachte von den zuckenden Schultern zog, dachte, wie gut es war, dass sie endlich weinte.
»Wenn diese junge Frau, Gesa Langwasser, noch einmal wiederkommt«, sagte Elgin ein wenig später, »beiß sie nicht weg, Marthe. Ich muss sie um etwas bitten.«
Ein Zögern vor der Kammer, das den schnellen Schritten die Stiege hinauf folgte, verriet ihm, dass sie es war.
»Komm nur«, sagte Clemens.
Erstaunlicherweise verschloss sie die Tür und lehnte sich dagegen, die Hände verschränkt auf dem Rücken.
»Herr Doktor Heuser …«
Er liebte sie, da konnte sie machen, was sie wollte.
»Die Gottschalkin …«, ihre Stimme fiel zu einem Wispern ab, »Sie möchten sie in ihrem Haus in der Hofstatt aufsuchen.«
Clemens tat, als zöge ihn nichts mehr an, als seine Arbeit fortzusetzen, die er auf seinem wie stets überfüllten Tisch, von einer Kerze beleuchtet, vor sich hatte, und übertrug aus seinen Notizen die Maßeinheit einer weiteren Becken-Conjugata in eine Tabelle.
»Du bist mit ihr in Verbindung? Das wusste ich nicht.«
»Nein. Und wenn du zu ihr gehst, sollte das auch niemand wissen.«
Er lächelte, ohne aufzublicken, doch seine hemmungslose Freude darüber, wie sie ihn angesprochen hatte, ließ ihn im Schreiben innehalten.
»Wirst du mich begleiten?«
»Natürlich nicht.«
»Natürlich nicht.« Er warf die Feder fort, was seinen Eintrag mit einem Klecks verdarb, wandte sich ihr zu, nichts wollte er mehr verbergen. Als er den Stuhl zurückschob, geriet dies heftig, und sie erschrak.
»Nein, bitte!« Doch ihre abwehrenden Gesten konnten ihn nicht verletzen, denn obwohl sie sich an die Tür drängte, als könnte sie damit die feste Materie aufzulösen, sagte sie: »Clemens.« Sie wartete, bis er sich wieder gesetzt hatte. »Das alles ist eine ernste Sache und nichts, was wir zum Spiel zwischen uns machen müssen.«
»Kein Spiel also.«
»Wann wirst du zu ihr gehen?«
»Bald. Ich muss sehen – nun, heute ist es zu spät. Morgen dann. Aber willst du mir nicht sagen, warum sie meinen Besuch wünscht?«
Wieder senkte sie ihre Stimme.
»Wird Professor Kilian etwas gegen sie tun?«
»Gegen die Gottschalkin? Ich wüsste nicht …«
Sie unterbrach ihn ungeduldig.
»Aber weißt du denn gar nichts? Hat der Professor dir nichts erzählt? Hat niemand über sie gesprochen zu dir?«
»Nein, niemand, Gesa.«
»Es ist wahr«, sagte sie, »du hast das Haus kaum verlassen.« Sie zögerte. »… und wenn, habe ich es nicht gemerkt.«
»Manchmal schläfst sogar du. Wenn auch bei offener Tür.«
Sie wich seinem Blick aus, während ihre Hände jetzt hinter dem Rücken hervorkamen und über die zerknitterte, von den Spuren des Tages gezeichnete graue Schürze fuhren.
»Umso wichtiger ist«, sagte sie, »dass Professor Kilian nicht erfährt, wenn du zur Gottschalkin gehst. Und bitte …«
»Vielleicht hörst du jetzt einfach auf, in Rätseln zu sprechen, und sagst mir …«
Sie schrak zusammen und lauschte auf Geräusche unten im Haus, auf irgendetwas, das er nicht wahrgenommen hatte.
»Die Gottschalkin wird dir selbst sagen, was du wissen sollst.« Sie öffnete die Tür einen Spalt breit, horchte hinaus und flüsterte dann: »Eines noch. Sie bat mich darum, du möchtest deine Zirkel mitbringen, und auch das Instrument der französischen Hebamme.«
Sie streifte ihre Kleider zurück über die Knie, während er mit dem Rücken zu ihr seine Hände in der bereitgestellten Waschschüssel wusch.
Noch bevor er sich ihr wieder zuwandte, womit er sich Zeit ließ, stand Elgin von ihrem Gebärstuhl auf. Begleitet von Marthes wortlosem Missfallen, die sich fragte, was ein Mann, dieser Doktor, zur Nacht in den Räumen der Herrin damit wollte, hatte Clemens ihn in den Salon hinaufgetragen und unter Elgins Anleitung aufgebaut. Zuvor hatte
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