Die Hebamme
hatte unterordnen müssen, dem Diner fern zu bleiben.
»Und man fragt sich des Weiteren«, sagte Homberg, »warum das, was er im Ehebett nicht vollbrachte, in seinem angeblich so verderbten Umgang mit der Gottschalkin ohne Folgen geblieben sein soll?«
»Nun, Fessler war Apotheker«, bemerkte Kilian, »… und schon mit seinem Vater soll sie sich – wie es heißt, nur gedanklich – über alles Mögliche ausgetauscht haben. Vermutlich hat sie Kenntnis von Mitteln, die eine Empfängnis verhindern können, und in jedem Fall von solchen, mit denen ein Abortus herbeizuführen wäre.«
Während Homberg schwieg, kam mit Bettina der warme Geruch von Mokka und Gebäck ins Zimmer. Alle schwiegen, und das Mädchen bemühte sich, die Teller so leise wie möglich abzutragen. Teilnahmslos, vielleicht erschöpft, oder doch nur träge schienen sich die Blicke der drei Männer an ihre Bewegungen zu heften. Erst als sie wieder an der Tür war, fragte Homberg: »Hat die Gottschalkin eigentlich jemals in all den Jahren, Herr Pfarrer, eine uneheliche Schwangerschaft angezeigt oder von versuchten Aborten Nachricht gegeben?«
Bettina schlüpfte atemlos aus der Tür, verbarg sich dahinter.
»Nein, niemals, ich erinnere keinen einzigen Fall«, konnte sie den Pfarrer hören, bevor sie lautlos zu weinen begann und hoffte, dass niemand es ihr mehr ansehen würde, wenn sie unten in der Küche angekommen war.
»Sie verweigert sich den Pflichten einer Amtsperson – das allerdings will zu ihr passen«, sagte Kilian.
»Ich hatte schon einmal die Vermutung, dass sie sich Freiheiten gestattet«, sagte Homberg nachdenklich, »… möglicherweise in der irrigen Annahme, sie stünden ihr zu, da sie sich nie in den städtischen Dienst hat vereidigen lassen.«
»Trotzdem hat jede Hebamme kraft ihres Eides eine Amtsperson zu sein«, beharrte Kilian. »Dies unmissverständlich im Hebammeneid zu formulieren muss unser Anliegen sein, und ich habe – wie Sie wissen – dem Collegium medicum in diesen Tagen den Entwurf einer neuen Hebammenordnung vorgelegt. Im Zuge dessen kam man zwangsläufig auf die Gottschalkin zu sprechen. Es gehört zu den Aufgaben des Collegiums, nicht nur die Geschicklichkeit und das Wissen einer Hebamme wiederholt zu prüfen, sondern auch ihren Lebenswandel.«
»Wohl zu spät«, sagte Homberg. Seine Ungeduld hatte sich ebenso wenig gelegt wie sein offensichtliches Missvergnügen an dem, was er eine leidige Affäre nannte.
Kilian war nicht ersichtlich, was genau den Bürgermeister so gereizt wirken ließ, und das machte ihn nervös.
»Nun«, sagte er, »das Collegium hat ihr eine schriftliche Note zukommen lassen, die sie aufforderte zu erscheinen, damit sie zu befragen sei. Dies sollte heute am Morgen sein.«
Homberg stand auf. Er schritt die Längsseite der Tafel ab. Siebert sah ihm dabei zu, und Kilian sprach schneller.
»Sie erschien nicht. Sie hielt es weder für nötig, der Aufforderung Folge zu leisten, noch ließ sie sich entschuldigen. Ich darf Sie, meine Herren, darüber in Kenntnis setzen, dass man daraufhin einstimmig beschied, ihr die Tätigkeit als Hebamme so lange zu untersagen, bis sie dem Collegium medicum vorstellig geworden ist.«
»Ich verstehe das nicht« Homberg sprach leise, fast zu sich selbst. »Was bezweckt sie damit?«
Als bemerkte er eben jetzt die angelehnte Verbindungstür zum Salon, schloss er sie, wie beiläufig.
Auch Malvine fragte sich das, die sich im Nebenzimmer fast gleichzeitig mit ihrem Gatten erhoben hatte. Was sie gehört hatte, gefiel ihr nicht – doch sie wollte sich nicht davon beunruhigen lassen.
Was die Gottschalkin mit ihrer Verweigerung bezweckte, die man für unklug halten musste, war nur eine weitere von zahlreichen Fragen, die Malvine sich über sie stellte. Noch immer fühlte sie so etwas wie Enttäuschung über den Vertrauensbruch ihrer Hebamme, von dem sie inzwischen immer mehr meinte, dass es kaum einer gewesen war. Denn hatte die Gottschalkin sie jemals hintergangen, oder wissentlich belogen? Malvine war nach einer ebenso raschen wie zielgerichteten Selbstprüfung zu der Überzeugung gelangt, dass dem nicht so war.
Doch bei aller Zuneigung, die sie wieder, oder doch unausgesetzt, für die Gottschalkin empfand, wusste Malvine, dass sie Zeit verstreichen lassen musste, bis die Gemüter, vor allem das von Caroline Fessler, sich etwas beruhigt hatten. Offenbar konnte Kilian, der alte Fuchs, dazu beitragen; ihn galt es hinsichtlich seiner Ambitionen, welche die
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