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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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Ihrer Schwangerschaft können wir …«
    »Nein«, sagte sie. »Obwohl ich es, soweit es Ihre Person angeht, Herr Doktor, bedaure. Aber eine Beobachtung meiner Schwangerschaft …«
    »… ist für Sie unerlässlich! Ob nun durch einen Arzt oder eine kundige Hebamme …«
    »Keinesfalls wird dies in Marburg geschehen.«
    Sie stand auf und lief zum Fenster. Für einen flüchtigen Moment spiegelte es ihr Gesicht, ohne Clemens etwas darin erkennen zu lassen.
    »Warum haben Sie mich ins Vertrauen gezogen?«, fragte er.
    »Warum arbeiten Sie in diesem Haus?«
    »Weil es ein Anfang ist.«
    Langsam kam sie zurück. Sie setzte sich wieder und sah ihn an.
    »Ich werde nach Wien gehen«, sagte sie.
    »Zu Professor Wolf.«
    »Er war ein Freund meines Vaters und mein Lehrer. Ich vertraue ihm. Noch heute werde ich an ihn schreiben.«
    »Ich verstehe.«
    »Nur den Anteil, glaube ich, von dem Sie sich in Ihrem Stolz kränken lassen möchten.«
    »Mein beruflicher Stolz ist nicht über die Maßen stark ausgeprägt – für manchen Geschmack schmählich schwach, fürchte ich.«
    »Also sind Sie einfach ein guter Arzt.«
    »Wenn Sie Marburg zur Niederkunft verlassen, Gottschalkin – was wird danach sein?«
    »Sie meinen, wenn ich die Geburt überlebe und auch … das Kind?«
    »Ihr Kind, ja. Es will mir scheinen, als gestatteten Sie sich keinen Gedanken an ein Leben mit ihm.«
    »Ich habe für mich beschlossen, darüber erst nachzudenken, wenn es sich fügt. Doch es ist gut möglich, dass ich nicht nach Marburg zurückkehren werde. Vielleicht bleibe ich in Wien, wenn Professor Wolf meine Dienste benötigt. Die Arbeit in seinem Hospital könnte für mein Buch wertvolle Ergänzungen bedeuten. Ich könnte lehren …«
    »Sie könnten Ihr Kind ohne Missgunst und schlechtes Gerede heranwachsen sehen.«
    »Auch das.«
    »Bestimmt wünschen Sie sich eine Tochter.«
    »Ich wünsche die Stadt baldmöglichst zu verlassen und werde dies vorbereiten. Sagen Sie Gesa Langwasser nichts davon, ich bitte Sie. Sie hat eine Neigung zur Sorge.«
    »Eine schöne Neigung, finde ich.«
    »Durchaus, doch sie wäre mir hinderlich. Das Einzige, was mir von Nutzen sein kann, ist ein sachlicher Blick auf die Dinge. So habe ich es immer gehalten. Besser sollte ich sagen – eine sehr lange Zeit. Als ich mir untreu wurde, geriet mein Leben aus den Fugen, und nie wieder wird es sein wie zuvor.«

Dreizehn
    FEBRUAR 1800
    Die Stimmen vernahm sie als gedämpfte Laute, aus denen ihr kein einzelnes Wort verständlich wurde. Mit vorsichtigen Schritten näherte sich das Dienstmädchen dem Zimmer, in dem die Herren dinierten. Doch natürlich wusste sie, worüber sie sprachen, den ganzen Abend schon, während es ihre Aufgabe war, mit unbewegter Miene die Speisen auf- und abzutragen. Vor ihr hastete die Küchenmagd auf die Tür zu, um sie für Bettina zu öffnen, die eine nächste, üppig befüllte Silberplatte herantrug.
    »Sie entzieht sich also«, sagte Homberg gerade, als Bettina das Zimmer betrat. Sie stellte die Platte am Ende des Tisches hinter einem der Kerzenleuchter ab, als Pfarrer Siebert erwiderte: »Ich frage mich, wie lange sie dieses Spiel schon trieb, ohne dass es sich bemerkbar machte.«
    »Ihr Ruf hat sie immer geschützt.« Sie erkannte die Stimme des Professors, ohne ihren Blick in die Runde zu heben.
    »Ein Ruf, der durchaus gerechtfertigt war, was ihre Kunst angeht«, sagte Homberg, während Bettina wartete. Sie verschränkte die Hände auf dem Rücken und starrte auf den Aal, von Götze aus einem Eisloch im Flussgrund gestochen, nachdem er ihn bei Dunkelheit mit der Laterne angelockt hatte. Noch unter den Händen der Köchin hatte das Tier gezuckt, als diese sich daran machte, ihm die Haut abzuziehen.
    »Sie nennen es Kunst, verehrter Homberg …«, sagte der Professor, und Bettina entschloss sich zu einem Hüsteln.
    »Wie immer man auch es nennen will …« Jetzt endlich sah ihr Dienstherr auf, nickte ihr fahrig zu, zog die Stirn in Falten, ungehalten, an nichts weniger interessiert als am Fischgang, den sie nun zügig aufzutragen hatte. Bettina legte den mit Nüssen und Kräutern gefüllten, mit Pfeffer und Muskat gewürzten und am Spieß gebratenen Aal vor und trug den Herren auf. Sie tat dies, ohne die Verbindungstür zum Salon aus dem Auge zu verlieren. Ob diese noch immer angelehnt und nicht etwa verschlossen war.
    »Was sie in Marburg so vortrefflich verrichtet hat«, fuhr Homberg fort, »dass viele Frauen gerade und nur ihre Hilfe suchten,

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