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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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erschienen war, stieß sie ein schnelles Vaterunser hervor, und Bettina, die treue Seele, beschwor zur Unterstützung die heilige Mutter Gottes. Sie beteten in einem flüsternden Kanon bis zum Einsetzen der nächsten Wehe. Diese schob Elgins Händen ein neues Leben entgegen, und es war einerlei, ob nun der lutherische oder katholische Glaube, möglicherweise aber auch etwas vollkommen anderes dazu beigetragen hatte, dass es männlichen Geschlechts war.
    Natürlich bestand Malvine darauf, ihrem Gatten, der nun wieder ihr liebster Friedrich war, selbst mitzuteilen, dass sein Wunsch sich erfüllt hatte. Sie hatte Zeit, sich dafür einige Spielarten auszudenken. Erst nachdem das Kind, das sie ein wundervolles Geschöpf nannte, abgenabelt, gewaschen und von weichen Tücher umhüllt in Malvines Armen lag, durfte Bettina das Zimmer verlassen, um dem Herrn Rat nichts mehr als eine beruhigende Nachricht zu überbringen. Des Weiteren hatte das Dienstmädchen die Küchenmagd zu Hilfe zu holen, damit sie ihr half, die Wiege ins Zimmer zu tragen. Von jeher hatte sich Malvine geweigert, dies vor der Geburt zu gestatten.
    »Wird er es mir ansehen, was meinen Sie, Gottschalkin?«, fragte Malvine, während sie Bettina dabei zusah, wie diese die Wiege mit Kissen und gewärmtem Bettzeug auskleidete. »Erscheine ich anders als nach der Geburt meiner Töchter?«
    »Fühlen Sie sich denn anders, Frau Rat?« Elgin hatte wieder ihren Platz zwischen Malvines Beinen eingenommen und wartete. Hinter sich hörte sie die Bewegungen der jungen Küchenmagd, die beschmutzte Leintücher einsammelte, das Bett abzog und schniefte. Dass sie mehrfach verstohlen den Handrücken zur Nase führte und versuchte, das Geräusch zu dämpfen, mit dem sie den Rotz hochzog, bemerkte nur Bettina.
    »Ach«, sagte Malvine über das empörte Quäken ihres Sohnes hinweg, »es kommt mir gar nicht so vor, als hätte ich heute ein größeres Wunder vollbracht als zuvor. Aber ihm wird es so vorkommen. Schmerz und Anstrengung waren wie immer, aber er wird sie höher bewerten durch die Geburt seines Sohnes. Söhne werden für Männer geboren, ist es nicht so?« Zufrieden küsste sie die samtweiche Haut des Kindes. »Und wir profitieren davon.«
    Sie ließ sich von Bettina das Kind abnehmen, und während Elgin sich darauf konzentrierte, ihr den Leib zu massieren, schaffte Malvine es noch zu sagen: »Ich könnte mir vorstellen, dass Homberg sich in nächster Zeit großzügig zeigen wird.« Sie schnappte nach Luft. »Die Geburt ist ein Geschäft unter Frauen, und erst, wenn ein Sohn dabei herauskommt, erfährt es Achtung durch die Männer. So und nicht anders muss man es wohl betrachten.«
    Dann raubte die Nachgeburt ihr noch einmal den Atem, und hinter ihnen brach Rena, die Küchenmagd, in haltloses Weinen aus. Malvine war gerührt über die Anteilnahme und fand sie doch leicht übertrieben. Bettina beeilte sich, das Mädchen mit der Schmutzwäsche wegzuschicken, denn sie meinte, dass hier kein Platz für traurige Gesichter war.
    In der Morgendämmerung verließ auch Elgin das Zimmer, um Frau Rat mit ihrem Gatten allein zu lassen, damit diese die Überraschung zelebrieren konnte. Sie sah ihm mit geröteten Wangen entgegen aus den frisch bezogenen Kissen des Bettes, von duftigem Batist umhüllt, die Haare zu Schnecken geflochten und in allem hübsch anzusehen mit ihren fünfundzwanzig Jahren. Er hätte es nicht besser treffen können. Sollte er sich glücklich schätzen.
    Mit Elgin gelangte der harzige Duft von Salbei und Rosmarin hinaus auf den dunkel getäfelten Flur. Das Entzünden der Räuchergefäße hatte sie nur kurz gestattet, damit es dem Kind nicht schadete, doch lange genug, dass sein Vater beim ersten Besuch am Wochenbett nicht mit unreinen Gerüchen belästigt wurde.
    Elgin hörte Malvines zirpende Stimme und den männlichen Ausruf des Entzückens. Sie hörte das Schweigen eines Kusses, und langsam ging sie die breite Treppe hinunter, um den Salon zu betreten, wo man die Tafel für sie gedeckt hatte. Sie vernahm den Gesang der Vögel – zum ersten Mal in diesem Jahr, meinte sie – und das Rufen der Hütejungen, die die Schweine durch das Kalbstor aus der Stadt trieben.
    Elgin sah ihr Spiegelbild im Fensterglas vorüberschwimmen und strich einige Haarsträhnen zurück, die sich aus dem Knoten im Nacken gelöst hatten. Ein Gedanke an Lambert zog durch ihre Herzgegend und verließ sie wieder. Sie betrachtete einen Kabinettschrank an der Stirnseite des Zimmers, ein

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