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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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sind wie Ruder, die das Schiff vorwärts bringen, und je tiefer sie ins Wasser tauchen«, sagte Elgin, »umso schneller kommst du dem Hafen entgegen.« Ihre Hände fuhren an Malvines Beinen entlang, schoben dabei das feine Gewebe ihres Hemdes zurück und legten sich auf den gewölbten Bauch.
    »Jetzt müssen wir erst mal ein bisschen hinaus aufs offene Meer, und da wird es stürmische Wetter geben.«
    Malvine nickte und ließ sich von Elgin die blonden Flechten lösen, bis das Haar in schimmernden Wellen auf den Kissen lag. Die Bänder an ihrem Hemd öffnete sie selbst. Nichts sollte verflochten sein für den Fortgang einer Geburt, so war es Brauch, und sie glaubte daran.
    Zwischen der dritten und der vierten Wehe ertastete Elgin mit ihren kundigen Fingern, dass es dem Kind zu guter Letzt noch eingefallen war, einen Arm vor seinen Kopf zu legen. Das war alles andere als gut, aber zum gegenwärtigen Stand noch keine ernsthafte Komplikation. Sie sagte Malvine nichts und rief das Dienstmädchen herein, damit es tröstliche Dinge tat. Bettina kam allem beflissen nach, brachte frisches Wasser, hängte die Tücher auf einem Gestell näher am Ofen auf, damit sie noch wärmer würden und der Herrin später wohl taten, wenn es Zeit für den Gebärstuhl war.
    Ihr Tun lenkte Malvine ab und gab Elgin Gelegenheit, kurz vor einer weiteren Wehe, so weich es ging und so fest es nötig war, dem Kind bei stehendem Wasser in den Arm zu zwicken. Dabei achtete sie darauf, dass ihre kurz gehaltenen Nägel das feine Netz, in dem das Kind noch schwamm, nicht verletzte, denn es sollte nicht frühzeitig zerreißen. Sie lächelte, als sie spürte, wie das Ärmchen sich zurückzog. Die nächsten Wehen trieben den Kopf tiefer ins Becken, und wenig später brach das Wasser. Kaum mehr als eine Stunde später fing Malvine an zu schreien.
    Andere Frauen schrien Gott an oder fluchten. Manche blieben stumm. Malvine schrie nach ihrem Mann. Wenn der Schmerz kam, schrie sie nach Friedrich, dessen Name es ihr gestattete, dies in hohen, spitzen Lauten zu tun. Bei der Geburt der ersten Tochter war er ihrem Schrei noch gefolgt, und sie hatte es sich daraufhin für alle Zeit verbeten. Beide waren zu Tode erschrocken gewesen.
    Malvine war längst dem Bett entstiegen, und Bettina hatte aus der Hebammentasche die Korallenkette hervorholen und ihr umlegen dürfen, ein Geäst aus ungleich großen, reich verzweigten Stücken in warmem Rot. Es beruhigte sie, das Gewicht und die Bewegung des Schmucks auf der Haut zu spüren, und es half ihr wie vielen anderen, auf seine Kraft zu vertrauen.
    Die Grenze zum neuen Tag überschritt Malvine in anstrengenden Wanderungen, bei denen Bettina sie stützte und die ihr endlos vorkamen, doch das hatte wohl damit zu tun, dass die Hebamme sie einige Male abhielt, sich auf dem Stuhl niederzulassen.
    »Es ist noch zu früh, Malvine«, sagte Elgin dann, wenn diese sich am Bettpfosten festhielt und den Kopf dagegen lehnte. Sie massierte ihr mit warmen Händen das Kreuz und ermunterte sie zu kreisenden Bewegungen des schweren Leibes.
    »Wie lange noch?«, knurrte Malvine. »Wie lange wird dieser Quälgeist sich noch bitten lassen?«
    »Nicht mehr lange«, sagte Elgin. »Noch vor Sonnenaufgang wirst du deine Schmerzen bereits vergessen haben.«
    In diesem Moment vergoss Malvine ein paar Tränen, weil sie sich unendlich weit von diesem köstlichen Zustand entfernt fühlte. Sie ließ sich von Bettina das Gesicht abtupfen und den trockenen Mund mit einem Schluck Honigwasser befeuchten, so als machten sie Rast auf einem Sommerspaziergang, bei dem man in der Mittagshitze nicht rechtzeitig den Schatten der Bäume erreicht hatte.
    Und schließlich behielt Elgin Recht.
    Es gab einen Augenblick, im dem die Frauen zu verharren schienen im künstlichen Licht dieser Nacht: Malvine – endlich – auf dem Gebärstuhl, hinter ihr Bettina, das lange Haar ihrer Herrin zusammenhaltend, damit es nicht im Weg war, und bereit, ihren Händen Halt zu geben, falls diese sie suchten. Elgin auf einem Schemel zwischen Malvines Beinen, wo sich Lilienduft ausbreitete von dem Öl, das die Geburtswege geschmeidig machte. Und gerade, als sie sich fragte, ob sie das Mädchen bitten musste, ihr eine weitere Flasche zu reichen, stemmte Malvine die Füße in die gepolsterten Fußstützen. Sie griff nach Bettinas Händen und presste nach den Anweisungen Elgins, ohne ihre Kraft an einen weiteren Schrei zu verschwenden.
    Als der Kopf des Kindes zwischen ihren Schenkeln

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