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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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die Stadt nach ehrlosen Schwangeren abzusuchen und sie zu beschwatzen?«
    »Wir folgen seinem Auftrag. Gut möglich, dass wir keine finden. Nicht mal zu zweit.«
    »Zu dumm«, ließ Lotte verlauten. »Da halten wir die Nasen in jede Spelunke und – nichts. Ein guter Plan. Wie will er uns das schon nachweisen?«
    Sie begann die steinernen Stufen zwischen den Häusern hinabzusteigen, den Korb mit Gemüse wegen der Enge vor sich tragend.
    »Für heute mag das gehen«, sagte Gesa nachdenklich, »aber was ist mit den nächsten Tagen? Lange kommen wir damit nicht durch, fürchte ich.«
    »Er hat uns in der Hand, das ist es doch, was ich sage! Ich kriege die Not, wenn ich weiterdenke! Er zwingt uns einfach, und wir können nichts dagegen machen!«
    Lotte schimpfte unaufhörlich vor sich hin, während sie weiter die krummen Stufen hinabstiegen und der Regen heftiger auf sie niederging.
    »Und wenn wir mit Doktor Heuser sprechen?«, dachte Gesa. Lotte kreischte und war verschwunden. Am Ende der Treppe landete sie auf dem Hintern und heulte. Ihr Korb war auf die Gasse geflogen, die gelben Rüben leuchteten auf dem buckligen Pflaster.
    »Verflucht!« Schon war Lotte wieder auf den Füßen. Im nächsten Augenblick hatte sie eine kleine, graue Gestalt am Wickel, die einige Rüben umklammerte.
    »Wirst du wohl die Finger davon lassen!«
    Es war das Mädchen vom Markt, das unter Lottes schüttelndem Griff zu schluchzen begann.
    »So hör doch auf«, rief Gesa. »Was kann denn das Kind für deine Wut?«
    Lotte ließ von ihr ab, und sie standen wie erstarrt zu dritt im Regen. Die Kleine machte keinen Versuch davonzulaufen. Sie gab keinen Laut von sich, und es war nicht zu erkennen, ob sie noch weinte. Sie legte die Rüben auf die Gasse, als seien sie zerbrechlich.
    »Behalt sie nur«, sagte Lotte leise. »Du wirst sie nötig haben.«
    Das Kind tat nichts, es zitterte nur. Lotte sammelte einige Rüben auf, doch das Kind nahm sie nicht. Gesa beugte sich herab und strich ihm das klatschnasse Haar aus dem Gesicht.
    »Du bist ja ganz heiß«, sagte sie.
    Jetzt sah das Mädchen sie an.
    »Die Mutter auch«, sagte es.
     
    Sie fanden die Frau in einem zerfallenen Verschlag hinter einer der Hütten am äußeren Rand der Stadtmauer. Nicht einmal zu den Ärmsten, die darin wohnten, gehörte sie. Das Kind hatte ihnen nicht sagen können, wo sie herkamen, nur dass sie tagelang zu zweit unterwegs gewesen waren, hungernd zumeist, und offenbar gab es niemanden sonst im Leben der beiden.
    Selbst in der lichtlosen Ecke, wo die Frau reglos auf dem Lehmboden lag, war ihr unzweifelhaft gerundeter Leib zu erkennen. Sie glühte, ihr Atem pfiff, nachdem sie sie aufgerichtet hatten. Gesa betupfte die aufgesprungenen Lippen der Frau mit ihrer regenfeuchten Schürze, und Lotte murmelte: »Das gefällt mir nicht.«
    »Lotte.«
    »Ja. Ich weiß schon.«
    Gemeinsam brachten sie die Frau auf die Beine, sie knickte noch einmal weg, stöhnte, als Gesa sich ihren Arm um die Schultern zog und sie an sich drückte. Sie konnte den erhitzten Körper an ihrer Seite spüren und die Schwäche, trotz derer die Frau begann, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Lotte schob die Kleine, die allem stumm und mit weit aufgerissenen Augen gefolgt war, vor sich her aus dem fauligen Bretterverhau.
    »Hat euch der liebe Gott geschickt?«
    »Das würde ich auf keinen Fall behaupten«, sagte Lotte. »Und wenn er dafür zuständig ist, dann frage ich mich, was er sich dabei gedacht hat.«

    Frieder lag im Roggen und hielt sich die Ohren zu. Die Ähren waren vom Regen zu Boden gedrückt, der nasse Geruch stieg ihm wie nichts Gutes in die Nase. So viele Tage hatte es geschüttet. Sonnenlose, düstere Tage, welche von denen, die seinen Bruder wild machten.
    Jetzt regnete es nicht mehr, jetzt war es dunkel, weil sie kein Feuer machen konnten, wie auch, wenn alles nass war, von den Bäumen tropfte es, unter den Füßen nichts als Matsch. Konrad war böse wie Luzifer, den man aus dem Himmel geworfen hatte. Konrad hatte sich eine Frau gefangen und sich auf sie geworfen, und Frieder lag auf der verdorbenen Ernte wie der Gekreuzigte, so starr, fast wie tot, dass es krabbelte auf ihm, das Getier, das kleine, kitzlige, tausendbeinige aus der Erde in die Ärmel kriechende. Schlagen danach konnte er nicht, wegen der Hände, die auf den Ohren bleiben mussten. Dass er nicht die Frau hörte, die Konrad auf den Boden nagelte.
    Langsam, langsam zog Frieder sein Bein an, stemmte den nackten Fuß in die

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