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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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kalten, nassen Halme, drehte sich auf den Rücken, ohne die Finger aus den Ohren zu nehmen. Die Augen wollte er unbedingt aufmachen, damit er sich was Schöneres vorstellen konnte, wenn er hinaufblickte, wo die Wolken in der Nacht ganz schnell unterwegs waren, so schnell, dass die Mondsichel sichtbar wurde wie ein Lächeln. Er wollte vergessen, dass er ein Angstmacher war.
    Wenn Konrad sich eine Frau fing, dann versuchten sie wegzulaufen, das gehörte zum Spiel, sagte Konrad. Immer tat er so, als würde er sie davonkommen lassen, dabei trieb er sie nur einem Riesen vor die Füße.
    Nie, niemals hatte Frieder eine angefasst. Er musste nur dastehen. Sie wichen vor ihm zurück, manchmal stolperten sie und fielen. Ihre Angst, die sprang Frieder aus den weißen Winkeln ihrer Augen an. Sie kroch in ihn hinein, wie die Insekten unter sein Hemd, er konnte nichts dagegen machen.
    Er blinzelte, bis die Nacht Sterne für ihn hatte. Sie blitzten wie das Gold auf dem Kleid seiner stillen Elisabeth. Sein Herz tat weh, wenn er an sie dachte. Frieder begann zu summen. Er summte, bis sein ganzer Körper voll war mit Liebe und die Angst der fremden Frau keinen Platz mehr darin hatte.

    Anna Textor hatte keinen Schimmer, ob es Tag oder Nacht war, als sie aus einem dumpfen Schlaf erwachte. Auch hätte sie nicht zu sagen gewusst, wie lange sie ohne Wut gewesen war. Wut war ein Zustand, in dem sie sich seit diesem verregneten Sommer dauerhaft befand, und nichts konnte mehr daran etwas ändern außer Schlaf. Anna Textor hatte überhaupt nichts dagegen, wütend zu sein, jeder Tag war voll mit Gründen dafür.
    Einer davon war deutlich zu hören, jetzt, wo sie gegen ihren Willen immer wacher wurde. Die helle, plappernde Stimme im Nebenzimmer, die sogar nachts zuweilen unverfroren sang, die auch nicht aussetzte, wenn die Schritte Taptaptap über den Boden liefen, Taptaptap, wie die eines Hundes, der nicht wusste, wo sein Platz war. Und wenn die Stimme Mutter rief, dann wurde sie noch höher, vor allem wenn es wie eine Frage klang: Mutter?! Das hatte aufgehört. Jetzt waren es nur noch Ausrufe. Anna Textor war so wütend, dass sie weder Angst noch Freude in der Stimme feststellen konnte. Sie hielt sich daran, dass man ihr eingebläut hatte, keine Gören ins Haus zu lassen. Ebenso wenig wie kranke Weiber oder welche, die so verdreckt waren, dass sie die Luft mit unaussprechlichen, todbringenden Sachen füllten.
    Sie war völlig im Recht gewesen, ihnen das Haus zu verbieten. Tauchten hier auf mit dem röchelnden Weib und ihrem Balg, sahen aus, als wären sie allesamt aus einem Tümpel gekrochen. Mehr tot als lebendig war die Person am Arm der Langwasser gehangen. Und die hatte schon wieder diesen Blick gehabt.
    Es hatte Geschrei gegeben, nach dem Blödkopf wurde geplärrt, den Professor sollte er holen, die Langwasser hatte die Röcke geschürzt und war die Treppen raufgerannt. Sie hätte schwören können, dass die Röcke in der Dachstube noch ein bisschen höher gerutscht waren. Was hieß es schon, dass sie schnell wieder mit dem Doktor unten gewesen war? Dann hatte er seinen Lohn eben später gekriegt von der kleinen Hure. Für Anna Textor gab es keinen Zweifel: Die Langwasser hatte mit ihrem Körperchen dafür gesorgt, dass sie selbst in ihren Aufgaben beschnitten und ans Haus gefesselt worden war. Wer wusste schon, was die plante? Es schien jedenfalls, als fügte sich alles bestens für das hinterlistige Stück. Nun hatte sie auch noch dieses Weib aufgetrieben, das der Doktor höchstpersönlich ins Wöchnerinnenzimmer schleppte.
    Sie, die Textor, hatte beschlossen zu warten. Wenn jemand zu schätzen wusste, dass sie die Regeln einhielt, dann doch wohl der Professor, der sie aufgestellt hatte. Der sie genötigt hatte, seine Handschrift zu entziffern, Wort für Wort, damit sie ihm repetieren konnte, wie er es nannte. Doch der Professor schien die Dinge in diesen Tagen deutlich anders zu sehen. Allein, wie er ihr mit seinem feinen Gehstock bedeutet hatte, aus dem Weg zu gehen, um ihre Empörung davonzuwedeln wie einen lästigen Mückenschwarm! Es hatte ihr die Kehle so trocken gemacht, dass sie husten musste.
    »Na, na, es wird schon nicht ansteckend sein«, hatte der Professor gesagt, »oder sind Sie anderer Meinung, Herr Kollege?«
    Der Doktor hatte etwas aus dem Zimmer heraus geantwortet, was sie nicht verstehen konnte, den Professor jedoch stellte es offenbar zufrieden.
    »Allerdings, Frau Textor«, hatte er dann gesagt, »eine

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