Die Hebamme
Botschaften hatte ich nichts, woran ich mich halten konnte«, sagte Lambert. »Ich habe versucht, allein zu einer Erklärung zu kommen, und nach deiner Flucht aus unserer Apotheke kam mit einem Mal dieser Gedanke. Hässlich. Nicht mehr aufzuhalten. Wie schnell es ging, dass es für mich zu einer Wahrheit wurde, das war erstaunlich. Es war mir unerträglich, dass du unser Kind …«
»Lambert.«
Als er sich ihr zuwandte, versuchte er ein Lächeln. Sie legte ihre Hände an sein Gesicht und strich über die zuckenden Mundwinkel. »Dieses Kind, Lambert, unser Kind – das gibt es nicht und hat es nie gegeben. Ich will nicht, dass du dich damit quälst.«
Er senkte den Kopf.
»Ich bin so froh«, sagte er. »Verzeih mir, dass ich dir so etwas zugetraut habe. Und bitte, dass du mich nicht falsch verstehst – wenn du ein Kind von mir erwarten würdest …«
»Nein, Lambert. Nein. Sieh mich an. Ein Kind würde uns nicht verbinden. Ich fürchte, das ist die Spur Wahrheit in dem, was du von mir angenommen hast. Und es heißt, dass es so nicht weitergeht. Du wirst bald heiraten …«
Er hielt ihre Hände fest.
»Das ändert nichts zwischen uns«, sagte er schnell. »Diese Heirat, das ist nicht mehr als ein Geschäft, eine Handelsvereinbarung …«
»Ich habe deine Therese bei Hombergs Taufe gesehen. Ich glaube, sie wünscht sich nichts mehr, als die Mutter deiner Kinder zu werden. Sie ist hübsch und jung …«
Was rede ich, dachte sie.
»Therese und ihre Wünsche. Wen interessiert das schon?«
»Es gefällt mir nicht, wie du das sagst. Du weigerst dich einfach, den Gedanken zuzulassen, dass eine Frau wie sie viel besser zu dir passt als ich.« Warum klingt alles so falsch, was ich sage, fragte sie sich. Was hält mich zurück, die Dinge klar auszusprechen? »Lambert«, sagte sie, »die Wahrheit ist …«
»Was ist schon die Wahrheit?«, unterbrach er sie. Er sprang auf und zog sie an sich. »Für heute hab ich genug davon.«
Er umfasste ihren Nacken, dass sie ihm nicht ausweichen konnte. »Komm, ich will wissen, was du mir zu sagen hast, wenn du dich nicht hinter Worten versteckst.«
Sie wand sich in seinen Armen, und er lachte ihr ins Gesicht, als wüsste er besser als sie, dass die Hitze, die sich zwischen ihnen entwickelte, nicht dem Wetter zuzuschreiben war. Ihr Körper hatte schon begonnen, die Fragen des seinen zu beantworten. Sie wandte den Kopf ab. Seine Lippen trafen ihren Hals, und vom Wasser her war Gelächter zu hören.
»Nein«, keuchte sie.
Ein flaches Boot glitt auf der gegenüberliegenden Seite durch den Fluss, an langen Leinen von zwei Pferden gezogen, die am Ufer entlanggeführt wurden. Eine kleine Gesellschaft saß unter einem Sonnensegel, an irgendetwas hatten sie ihren Spaß. Womöglich schauten sie zu ihnen herüber.
Elgin stieß Lambert von sich, die Überraschung kam ihr zugute. »Niemand darf uns so sehen.« Hastig griff sie nach ihrem Hut und lief auf die Bäume zu.
»So?«, rief Lambert hinter ihr her. Er klang erschreckend heiter. »Mir ist das vollkommen egal.«
Als sie bemerkte, dass er ihr nicht folgte, blieb sie noch einmal stehen. Die Stiefel hatte er da schon von sich geworfen und stieg bereits aus der Hose. Er zog das Hemd über den Kopf, und nackt, wie Gott ihn mit glücklicher Hand geschaffen hatte, rannte Lambert ins Wasser, während auf der anderen Seite des Flusses das Boot kurz ins Wanken geriet.
Pauli duckte sich hinter dem Hühnerstall, ein schiefes Ding, für das Gesa Langwasser ihn gelobt und Lotte Seiler ihn ausgelacht hatte. Die Münzen juckten in seiner verschwitzten Hand, und noch immer schlug ihm das Herz bis zum Hals. Er hatte den richtigen Moment genutzt, um schnell wie der Blitz einige Holzscheite beiseite zu räumen und nach dem unverknoteten Tuch zu tasten. Er war versucht gewesen, alles zu nehmen, doch die Angst hatte ihn widerstehen lassen. Das Holz, so hoffte er, lag wieder genauso unter dem Herdfeuer, als hätte es nie einer angefasst.
Während Pauli über den Hof hinweg die Küchentür beobachtete, kamen ihm Zweifel, ob das Opfer, zu dem er entschlossen war, sich auch tatsächlich lohnte. Zunächst war er nur schadenfroh gewesen, wie Lotte Seiler. Pauli genoss es, in der Nähe zu sein, wenn sie der Textor Saures gab.
»Haben Sie Durst, Frau Textor?«, hatte sie heute Morgen erst wieder gefragt. »Wir könnten Brennnesselsud für Sie aufsetzen, der soll ganz vorzüglich gegen Rheuma helfen. Oder warme Wickel mit Senfkörnern, vielleicht können
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