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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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Sie es damit einmal versuchen. Haben wir Senfkörner in der Kammer, Gesa?«
    Gesa Langwasser hatte die Augen verdreht, sie mochte es nicht, wenn Lotte die Textor zur Weißglut brachte. Vielleicht wusste sie auch, wie gefährlich sie war. Besonders, seit die Alte wieder ihre Kammer verließ.
    Pauli hätte seine Hand ins Feuer gelegt dafür, dass Gesa es nur gut meinte, als sie auf die Schnur über dem Herd zeigte und sagte: »Aber wir haben angefangen, Dörrobst zu machen. Birnen, die mögen Sie doch?«
    Er hatte das fette Gesicht der Textor vor Hass zittern sehen. Ihm war klar geworden, dass er sich nicht mehr viel Zeit lassen durfte.
    Auch der Doktor hatte es gut gemeint, vor ein paar Wochen, als er ihm freigegeben und ihn zu seinen Leuten geschickt hatte. Es gab keine Gelegenheit mehr, das Geld aus dem Versteck zu holen. Keinen Fußbreit hatte sich die Textor an dem Tag aus der Küche bewegt. Erst hatte ihn das verrückt gemacht. Doch zu Hause musste er feststellen, dass alles beim Alten war. Und sein Plan, das Geld unterwegs zu vergraben, wer wusste schon, ob das gut gegangen wäre? Es gab nicht viel, woran Pauli glaubte.
    Er sorgte also dafür, dass immer genug Brennholz in der gemauerten Öffnung unter dem Herdfeuer aufgeschichtet war. Wenn er daran dachte, sein Gespartes hervorzuholen, lähmte ihn gleichzeitig die Angst. Die Textor brauchte ihn nur zu erwischen, sie würde Stein und Bein schwören, dass er ihr das Geld gestohlen hatte, und seine Tage in diesem Haus wären gezählt. Leute, die soffen, die waren im Lügen zu gut. Dann ging es bei denen im Kopf ganz plötzlich so schnell wie sonst nie. Ob die Doktoren überhaupt wussten, dass er Geld von den Studenten bekam? Durfte er es behalten? Es war ihm nie eingefallen, danach zu fragen.
    Einige Male, wenn Gesa Langwasser allein in der Küche war, hatte er in Erwägung gezogen, sie um Hilfe zu bitten. Er war kurz davor neulich, als er mit ihr vor dem Hühnerverschlag stand. Lotte hatte sich wieder verzogen, und Gesa sagte: »Lass dich nicht von ihr ärgern. Ich glaub manchmal, sie kann einfach nicht anders. Du hast einen guten Stall gebaut.«
    Er hielt es kaum aus, als sie ihm mit der Hand durch die Haare fuhr, denn das machte sonst nur seine Mutter. Er öffnete den Mund und wollte alles sagen. Er konnte es nicht. Man behielt Sachen für sich. Besonders wenn jemand im Haus war, der soff. Pauli kannte das von seinem Vater. Es hatte sie beide fast umgebracht, dass er seine Mutter vor den Schlägen des Alten schützen wollte. Sie schickte ihn in die Stadt, damit er sich dort verdingte. Der Alte lebte immer noch, das war das Schlimme. Und er hatte noch genug Kinder, die er verdreschen konnte, es sei denn, er ließ sie verhungern.
    Sein Vater hatte ihn gelehrt, mit dem Schlechtesten zu rechnen. Auf irgendwas wartete die Alte, und Pauli hatte sich entschlossen, sie abzulenken.
    »Pauli, wo bist du?« Die Stimme des Mädchens ließ ihn aufschrecken. Er hörte die nackten Füße auf dem Küchenboden und lief los. Seit die Kleine mit ihrer Mutter im Haus war, spielte er manchmal mit ihr. Zuerst wollte er nicht, aber sie hatte ihn nicht in Ruhe gelassen.
    »Ich finde dich«, hörte er sie rufen und das Gackern der Hühner auf dem Hof. Während er die Straße entlanglief, ohne zu wissen, wohin er so genau wollte, dachte er an den Hahn. Er hoffte, dass er dem Kind nicht auf den Rücken sprang, wie er es schon mal gemacht hatte. Nur kurz dachte er daran, wieder umzukehren, aber dann lief er weiter. Er konnte sich schließlich nicht um alles kümmern.
    Die Händler hatten den Marktplatz längst verlassen. Ein paar Hunde stöberten in den Abfällen. Am Brunnen standen plappernd einige Mägde zusammen. Pauli blieb stehen. Über so vieles hatte er nachdenken müssen, dass ihm die Tageszeit völlig entfallen war. Die Häuser am Markt warfen lange Schatten aufs Pflaster. Plötzlich erschien ihm alles dumm und vergebens.
    Noch nie hatte er Branntwein gekauft. Wie der Alte sich versorgte, wusste er nicht, nur, dass er immer was hatte. Im Dorf brannten die Leute selber, das dagegen wusste jedes Kind. Ob er einfach in eine der Schankstuben gehen konnte, wo die Studenten sich trafen? Wenigstens kannte man ihn dort, weil er zuweilen aufgetaucht war, um die Herren des Nachts zu einer Entbindung zu rufen. Aber ob es schlau war, ausgerechnet da nach einer ganzen Flasche zu fragen? Und wenn man sie ihm nun nicht geben wollte, oder er nicht genug Geld dabei hatte? Nicht mal, was das Zeug

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