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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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kosten mochte, wusste er. Pauli warf einen verstohlenen Blick auf die Münzen in seiner Hand und biss sich auf die Lippen. Er musste sich beeilen. Vielleicht war es am besten, da, wo die Ärmsten wohnten, nach einer Spelunke zu suchen.
    »He, Rotschopf, das ist ja ein Jammer mit dir. Du hast ja’n Gesicht wie’n Misthaufen.«
    Erschrocken fuhr Pauli herum. Von der gegenüberliegenden Hauswand löste sich ein Mann und kam langsam zu ihm herüber.
    »Hat dir wohl noch keiner nicht gesagt, dass man dagegen was machen kann?« Der Mann war nicht viel größer als er, ein dünner Kerl mit dunklen, verfilzten Haaren, die ihm bis auf die speckige Jacke hingen. Pauli wich zurück vor dem fauligen Gestank, der von ihm ausging, oder von etwas, das er in den großen Beutel gestopft hatte, den er bei sich trug.
    »Weiß auch nicht jeder. Aber ich hab da ein Mittelchen, das hat schon Leuten geholfen, die’s noch schlimmer erwischt hatte als dich.«
    »Lass mich in Ruhe«, sagte Pauli. »Ich will deine Hilfe nicht.« Seine Stimme kippte in ein hohes Krächzen, wie es manchmal noch vorkam, ohne dass er was dagegen machen konnte. Er versuchte, sich an dem Kerl vorbeizudrücken, als dieser unerwartet zurücktrat und ihm den Weg freimachte. Pauli versenkte die Fäuste in den Hosentaschen und ging mit großen Schritten die Gasse hinab.
    »Zieh ab, mein Jüngelchen, na los, kriech wieder in das Loch, aus dem du gekommen bist. Wenn du mit dieser Visage glücklich bist, was soll’s?«
    Der Mann blieb ihm auf den Fersen, während die Wut Paulis Kehle zuschnürte. Er hasste sich dafür, dass er nicht gut genug nachgedacht hatte, und er hasste den stinkenden Kerl dafür, dass er ihm folgte. Ihm würde nichts anderes übrig bleiben, als zurück zum Haus Am Grün zu gehen. Nichts hatte er erreicht, und wie sollte er schon wissen, wann er das nächste Mal unbemerkt das Haus verlassen konnte?
    »Wenn du schlau wärst, Fuchskopf«, kam die schmierige Stimme von hinten, »wenn du dir’n bisschen Zeit nehmen tätest, um auf einen heilkundigen Mann zu hören, dann bist du in ein paar Tagen’n andrer Mensch. Mein Wagen steht nicht weit von der Ketzerbach.«
    Pauli wandte den Kopf, ohne stehen zu bleiben. Viel mehr konnte er heute nicht falsch machen.
    »Hast du auch Branntwein?«, fragte er.
    Konrad lachte und entblößte seine braunen Zähne.
    »Alles, was du willst«, sagte er. »Als hätt ich’s nicht gewusst, dass man mit dir ins Geschäft kommen kann.«
     
    Den Weg war Pauli schon oft gelaufen. Der Karren stand zwischen einer Reihe von Bäumen, durch die man die rückwärtigen Mauern der Anatomie sehen konnte. Konrad fluchte über jemanden, den er einen Idioten schimpfte, als sie angekommen waren, jemanden, der sich schon wieder davongemacht hätte, um vor der heiligen Elisabeth auf den Knien herumzurutschen. Dann kroch er in das Innere des Wagens, sein Warenlager, wie er es nannte, und schlug nach den Fliegen, die augenblicklich seinen Kopf umschwirrten.
    Er tauchte mit drei braunen Flaschen unter der Bretterabdeckung wieder auf und sprang ins Gras.
    »Du hast Glück, dass ich noch welche habe, Fuchskopf. Ich mach den Leuten gute Preise, das Zeug geht weg wie nix. Nimmst du drei, zahlst du zwei. Kannst du das überhaupt?«
    »Was?«
    »Zahlen.«
    »Ist da denn überhaupt Branntwein drin?«
    Konrad zeigte wieder die Zähne, und Pauli zwang sich, den Anblick auszuhalten. »Gar nicht nett, dass du vom alten Konrad denkst, dass er dich übers Ohr hauen will.«
    Die Flaschen an den Hälsen gepackt, als seien es tote Gänse, kam er langsam auf Pauli zu. Vielleicht sollte er besser von hier verschwinden. Vielleicht war es auch schon zu spät.
    »He, was ist? Du hast doch nicht etwa Angst vor mir? Oder machst du dir ins Hemd, weil da drüben ein paar Leichen verhackstückt werden? Och, da wird es ganz blass unter den Pestbeulen, das Bürschchen.«
    »In der Anatomie war ich schon oft. Ich hab überhaupt keine Angst davor.«
    »Ach, da warst du schon oft«, äffte Konrad ihn nach. »Was hast du denn da zu schaffen?«
    Pauli schwieg.
    »Was?« Er atmete in Paulis Gesicht. »Oder lügst du mich etwa an?«
    »Die Studenten. Ich hole sie zum Unterricht ins Gebärhaus.«
    »Ah, da, wo sie die Weiber verhackstücken, sieh an. Und die Bälger auch, sagt man.«
    »Davon weiß ich nichts«, sagte Pauli tapfer. Irgendwas tat sich in Konrads Kopf, das sah er an den zusammengekniffenen Augen.
    »Man kennt dich also, tja dann.« Er hob eine der Flaschen zum

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