Die Hebamme
Mund und zog mit den seitlichen Zähnen den Korken heraus.
»Hier. Damit du weißt, was du von mir kriegst.«
Es war, als hätte ihm jemand eine brennende Fackel in den Rachen gehalten. Im ersten Moment glaubte er nie wieder Luft zu bekommen.
»Was ist das?«, krächzte er.
»He, Bürschchen, für wen kaufst du das Zeug?« Konrad brüllte vor Lachen. »Für deinen Alten?«
»Das geht dich einen Dreck an!«, schrie Pauli. »Was ist jetzt? Was willst du dafür haben?«
»Wie viel hast du?« Noch bevor Pauli auch nur eine Zahl denken konnte, hatte Konrad ihn schon am Handgelenk gepackt und bog ihm die Finger der geschlossenen Faust auseinander. »Zwei Heller und ein paar Steine?« Er stieß ihn von sich. »Dafür kann ich dir nicht mal eine geben.«
»Ich will alle drei«, sagte Pauli. Es war ihm egal, dass er heulen musste. Er holte die restlichen Münzen aus der Tasche und hielt sie dem Kerl hin. Konrad beäugte das Geld auf der zitternden Hand, dann grapschte er danach und ließ die Flaschen ins Gras fallen.
Pauli hatte die Straße an der Ketzerbach erreicht und wischte sich den Rotz von der Nase, als er die hässliche Stimme des Mannes noch einmal hörte.
»Gegen die Pestbeulen hilft Ziegendreck«, schrie er. »Das Rezept kriegst du umsonst.«
Selbstverständlich hatte er sich angemeldet und in einem Billett höflichst darum gebeten, seine Aufwartung machen zu dürfen. Nun war er hier, und sie ließ ihn warten.
Kilian musterte den kleinen Salon, der unbenutzt wirkte. Der Eindruck, dass in diesem schmucklosen Zimmer recht selten Besuch empfangen wurde, vermittelte sich zweifelsohne auf eine gepflegte Weise: Die Polster der Stühle und des zierlichen Sofas, auf dem er Platz genommen hatte, waren sauber gebürstet, und von der Kommode sowie dem ovalen Tisch mit den geschwungenen Beinen ging noch ein leichter Geruch nach Wachspolitur aus.
Auch die Frau, die hier diente, war den Umgang mit Gästen offenbar nicht gewohnt. Ohne ihn hereinzubitten, sagte sie ihm an der Haustür, dass die Gottschalkin noch nicht von der Geburt zurückgekommen war, zu der man sie in der Nacht gerufen hatte. In der Annahme, sie wollte ihn abweisen, verspürte er bereits einen Anflug von Ärger, als sie mit einer linkischen Geste zur Seite trat und vor ihm die Treppen in das erste Stockwerk hinaufstapfte.
Immerhin gab es an dem Kaffee, den sie ihm später wortlos hinstellte, nichts auszusetzen, und die Mandelbrezeln, von denen er sich gestattet hatte, ein Stück zu kosten, waren bemerkenswert gut. Kein Vergleich natürlich zu den raffinierten Delikatessen, mit denen Homberg und seine Frau ihn vor wenigen Tagen auf einer Landpartie bewirtet hatten – was die Sache freilich nicht so ganz traf, denn in Wahrheit waren sie zunächst auf einem Boot unterwegs gewesen. Eine Angelegenheit, der Kilian nichts abzugewinnen wusste, weil man so unbequem saß, aber Frauen fanden offenbar Gefallen an derartigen Unternehmungen. Malvine Homberg, diesem bezaubernden Geschöpf, war vermutlich selten ein Wunsch abzuschlagen – es war interessant, den ehrenwerten Richter in seiner Rolle als Gatte an ihrer Seite zu sehen. Seine Sorge um sie war in einer kleinen Episode zum Ausdruck gekommen, die Kilian immer noch leicht amüsierte, als er an sie dachte. In dem betreffenden Moment jenes Nachmittags allerdings hatte er befürchtet, sie würden alle ins Wasser stürzen. Und das nur, weil ein junger Mensch sich am anderen Ufer entschloss, unbekleidet ein Bad in der Lahn zu nehmen, was ihm bei der Hitze der vergangenen Tage kaum zu verübeln war.
Homberg jedoch wollte seine Frau vor einem Anblick schützen, der ihr im Wesentlichen kaum unbekannt sein dürfte. Danach hatte Malvine eine Zeit lang nicht aufhören können, Scherze darüber zu machen. Sie schien im Ganzen weniger prüde als ihr Mann, ohne dass Zweifel an ihrem gesunden Gespür für Anstand aufkommen mussten. Richter Homberg hatte über die Dauer jenes Nachmittags hinweg nicht verhindern können, dass sie den Professor über sein Institut ausfragte. Und Kilian war sehr gelegen daran, einer Frau seines Standes Auskunft zu geben. Er hatte nicht oft Gelegenheit dazu.
Während sie nach einem geeigneten Anlegeplatz Ausschau hielten, konnten sie in einiger Entfernung vom Ufer Bauern auf den Feldern sehen, die das verdorbene Korn unterpflügten, und Homberg sprach von Maßnahmen, die ergriffen werden mussten, um die Kornkammern der Stadt zu füllen. Doch Malvine ließ sich von seinen Ausführungen
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