Die Hebamme
stellte, dachte ich nur an eins: dich zu beschützen.«
»Was du getan hast. Ich …«
»Nein, warte, ich will nicht gelobt werden für meinen Mut, gegen einen Jämmerling anzutreten. Ganz so einfältig, wie du glauben möchtest, bin ich nicht.«
»Warum sollte ich Derartiges glauben wollen? Würde ich mich damit nicht selbst beleidigen?«
Sie schämte sich ein wenig, als sie Lambert über ihre Erwiderung nachdenken sah. Dabei hatte sie keine Unwahrheit von sich gegeben. Wenn ihre Zunge auch geschärfter sein mochte als seine, für dumm hatte sie ihn nie gehalten. »Wovon sprichst du also?«, setzte sie nach.
Er bückte sich und riss einen Grashalm aus.
»Du erwartest ein Kind von mir, und du willst es loswerden, davon spreche ich.«
Sie konnte nicht anders als starren. Hilflos versuchte ihr Verstand dem Echo seiner Worte zu folgen, es in ihrem Innern zu etwas Fassbaren zusammenzufügen. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was sich in ihrer Miene abspielte, doch als sie wieder zu sich kam, konnte sie sehen, wie Lambert sich mühte, darin zu lesen.
»Erst als du weg warst«, sprach er weiter, ohne die Augen von ihr zu lassen, »als du geflohen warst vor mir mit deinen Arzneien, da begriff ich es plötzlich, von einem Moment auf den anderen. Sadebaum. Mutterkorn. Selbst eine Vielzahl der Mittel, die du aus dem Handverkauf verlangtest, scheinen nur einem Zweck zu dienen. Safran, Raute.«
Wieder bohrte sich sein Blick in ihre Augen, wo doch die seinen so schlecht für eine solche Aufgabe geeignet waren. Lamberts Augen waren einfach zu sanft dafür.
»Fruchtaustreibung. Abortus.«
Es faszinierte sie, diese Begrifflichkeiten aus seinem Mund zu hören.
»Es stimmt also«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust, als hätte er Schmerzen.
»Du hättest aufpassen sollen«, antwortete Elgin, »als ich eurem Provisor den Anwendungszweck der Arzneien in die Feder diktierte. Oder ist dir dieser Teil der Verordnungen schon wieder entfallen? Sadebaum und Mutterkorn sind wehenfördernde Mittel, die nicht oft, aber auch nicht eben selten unter der Geburt von Nöten sind. Man muss sie in einer sehr geringen Dosis anzuwenden wissen. Gefährliche Mittel, zweifellos, mein junger Apothekerfreund. Fruchtaustreibung. Auch richtig.« Ihre Stimme war schneidend. »Ein Kind etwa, das vor seiner Zeit im Mutterleib gestorben ist, ein toter Fötus, der keine Wehen …«
»Du beantwortest meine Frage nicht.«
»O doch. Ich bitte dich, mir gut zuzuhören, denn ich komme meiner Verpflichtung nach, dich über die Bestimmung meiner Arzneien aufzuklären, denn offenbar kennst du mich doch nicht gut genug. Auch Safran, oder kleine Gaben von Muskatblüte, die du versäumt hast aufzuzählen, können im Geburtsverlauf wertvolle Hilfe leisten. Oh, ich darf die Brechmittel nicht vergessen, die …«
»Hör auf, mich zu belehren. Ich habe mich selbst kundig gemacht.«
»Um die falschen Schlüsse daraus zu ziehen.«
»Es ist ein Leichtes für dich, die Mittel anders anzuwenden, mit deinem Wissen, das du bestimmt auch in den Treffen mit meinem Vater...«
»Konspirativen Treffen, meinst du. Zwischen Hexe und Hexenmeister, so in der Art etwa?« Sie fühlte sich plötzlich erschöpft. »Hab ich dir deinen Vater etwa weggenommen, ja? Zu viel von seiner Aufmerksamkeit bekommen, die du dir vergeblich gewünscht hast? Das täte mir Leid. Es hätte ihn gefreut, dich so zu sehen, neulich in der Apotheke.«
Das warme Licht der tief stehenden Sonne spielte in Lamberts Haaren. Seine Schönheit berührte sie. Er kam zu ihr und ließ sich neben ihr nieder. Sie war ihm dankbar dafür, dass er sich die stürmischen Attitüden verbot, mit denen er ihr sonst oft zu nahe kam.
»Ich hatte es so satt, auf ein Zeichen von dir zu warten.« Er schaute auf die unbewegte Fläche des Flusses. »Dieses Schweigen, es hatte etwas sehr Hochmütiges. Du hast das Handeln mir überlassen, und deshalb war es auch immer an mir, Fehler zu machen. Das war das ungeschriebene Gesetz unserer Zusammenkünfte.«
Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, war sie bereit zu verstehen, was in ihm vorging.
»Ich wollte das aushalten«, fuhr er fort, »ich will es noch immer. Ich wusste nicht, wie schwer erträglich es ist, von dir so wenig zu wissen. Einzig dein Körper war mein Verbündeter. Er ist unendlich mitteilungsbereit.«
Als sie in seinem Profil, in der Linie zwischen Nase und Mund so deutlich seinen Kummer sehen konnte, versetzte es ihr einen Stich.
»Ohne seine
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