Die Heidehexe - Historischer Roman
Feindesland. Nichts warf sie aus der Bahn. Sie trotzten Tod und Teufel, wähnten das Recht auf ihrer Seite.
Am vierzehnten Mai hatte Victor Geburtstag, Bernhard am zwanzigsten. Beide wurden zweiundzwanzig Jahre alt. Die Schnapsflaschen kreisten und Siegeslieder machten die Runde.
Aber zum Feiern bestand kein Anlass, der Mansfelder hatte in einem Brief sein Missfallen über das Fernbleiben von Christians Heer zum Ausdruck gebracht. Das war mittlerweile auf fünfzehntausend Mann angewachsen, denn die Not war groß und Kreaturen, die an räuberischen Feldzügen Gefallen fanden, traten gern in die Dienste des Braunschweigers, wurde ihm doch nachgesagt, dass er beide Augen zudrückte, wenn seine Söldner ganze Ortschaften dem Erdboden gleichmachten, nicht, ohne zuvor was nicht niet- und nagelfest war, in ihren Besitz übergehen zu lassen.
Noch kurz vorher hatte der Mansfelder nicht den geringsten Grund zur Klage gehabt, war schließlich Tillys Armee am siebenundzwanzigsten April von ihm bei Wiesloch entscheidend geschlagen worden und hatte über zweitausend Soldaten verloren, während er mit wenig Verlusten davonkam.
Die Protestanten schöpften neue Hoffnung. Georg Friedrich Kurfürst von Baden-Durlach dankte zu Gunsten seines Sohnes ab, um sich völlig dem Krieg zur Verfügung zu stellen. Er war ein strenggläubiger Protestant, der sechzehnhundertacht zu den Gründern der Union gehört hatte und nun sein starkes, insbesondere mit Artillerie bestens ausgerüstetes Heer ins Feld führte.
Trotzdem schlugen ihn Tillys Regimenter mit Unterstützung der spanischen Truppen unter Cordoba in der Schlacht bei Wimpfen am sechsten Mai. Der Kurfürst gab auf, obwohl die Katholische Liga nicht weniger Verluste hatte als die Protestantische Union. Insgesamt fielen um die zehntausend Soldaten.
Ernst von Mansfeld forderte Christian in seinem Brief auf, endlich zu seinem Wort zu stehen und sich im Elsass mit dessen Truppen zu vereinigen.
Der Braunschweiger hatte mit dem Schwanwerder, dem Neuloher und dem Ölshausener nicht nur drei seiner besten Freunde, sondern auch wichtige Führungsmitglieder verloren, stand nun mit Victor und Alwin von Grimmshagen, sowie Richard Sander allein an der Spitze des ständig wachsenden Heeres. Keine leichte Aufgabe. Dennoch ließ der Feldherr den Mut nicht sinken, gab den Befehl, am nächsten Morgen loszumarschieren.
Er ritt mit der Kavallerie voraus, in Halbharnisch, mit Federhut und dem wallenden roten Umhang, reiche Beute aus dem lippischen Land im Gepäck. Unterwegs fragte ihn einer der Generäle, ob es nicht leichtfertig gewesen sei, die Paderborner Protestanten i hrem Schicksal zu überlassen, weil die Katholiken mit Sicherheit Vergeltung an ihnen üben würden, jetzt, da ihre Beschützer sie verlassen hätten. Christian zuckte die Schultern. „Wir können nicht überall gleichzeitig kämpfen. Vorrang hat die Pfalz, wo der Mansfelder uns dringend benötigt. Außerdem werden in ein paar Monaten genügend tapfere Paderborner Protestanten geboren, die mein kühnes Blut in sich tragen. In einigen Jahren eifern sie ihrem Vater nach und treiben die Katholiken mit Schimpf und Schande zum Tor hinaus.“ Er lachte.
Das Schlusslicht bildete der Tross aus Marketenderinnen, Soldatenliebchen, Dirnen mit ihren Kindern, Hurenbuben, Pferdeknechten und fahrendem Volk, das sich inzwischen ebenfalls angeschlossen hatte. Üble Brut, die ausschwärmte und auf den umliegenden Höfen stahl und raubte, was ihnen unter die Finger kam.
Nicht nur wegen des Gesindels kam das Heer mittlerweile langsamer voran als geplant. Auch der kaiserliche General Freiherr von Anholt, der Christian und Victor seine schmähliche Niederlage im Schwertkampf nicht verziehen hatte, heftete sich erneut an ihre Fersen. Mit kurkölschen und spanischen Truppen forderte er die Braunschweiger immer wieder zu Scharmützeln heraus.
Wollte Christian nicht ewig auf der Stelle treten, musste er zu einer List greifen, um die Verfolger abzuhängen. Ende Mai gelangte sein Heer an eine Schiffsbrücke bei Höxter, die über die Weser führte. Das schien die Gelegenheit. Kaum waren die letzten seiner Mannen auf der anderen Seite des Flusses angelangt, gab er den Befehl, die Brücke abzureißen und zu verbrennen. Anholt guckte dumm aus der Wäsche und musste sich trollen.
Doch die Braunschweiger hatten viel Zeit durch die Kämpfe verloren. Der Dauerregen trug das Seinige dazu bei, dass die Regimenter nur mühsam ihren Weg bahnen konnten und die
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