Die Heidehexe - Historischer Roman
ineinander, sodass sie eine lebende Bahre bildeten. Ein weiterer Gottesdiener hob das Mädchen behutsam darauf. Unter Singen lateinischer Litaneien schritten sie davon. Und keiner hielt sie auf. Christian aber hätte Stein und Bein geschworen, dass Barbara in die Morde verwickelt war, auf welche Art auch immer.
30
Isabella stöhnte in den Wehen. Sie hatte die Absicht, jeglichen Schrei zu unterdrücken, um sich nicht vor den Tanten und Base n zu blamieren, die ihre Kinder angeblich ohne mit der Wimper zu zucken geboren hatten.
Ausgerechnet Tante Halina stand ihr als Wehmutter zur Seite, obwohl jede der Gauklerinnen das Handwerk der Hebamme beherrschte, Isabella eingeschlossen. Sie hatte schon viele Kinder bei den Heidefrauen auf die Welt befördert, und es war so gut wie nie ohne großes Geschrei abgegangen, wenn man von den alten Häsinnen absieht, die bereits so vielen neuen Erdlingen das Leben geschenkt hatten, dass die Geburtswege ausgeleiert und gedehnt waren, somit kaum noch Schmerzen verursachten, wenn es wieder so weit war.
Eine eigene Geburt durchlebte Isabella zum ersten Mal und fürchtete, die Qualen würden sie auffressen. So schlimm hatte sie sich die Ankunft ihres Kindes nicht vorgestellt. Als die Fruchtblase platzte, die Presswehen mit Wucht zuschlugen und die Krämpfe sich nicht mehr einstellen wollten, vergaß die werdende Mutter ihre guten Vorsätze und das abfällige Lächeln der Tante, brüllte wie am Spieß.
Großmutter betrat den Wohnwagen, in dem ihre Enkelin gerade wünschte, nie schwanger geworden zu sein. Sie legte ihr die Kette mit den blauen Perlen des Lebens um, beruhigte sie, dass es nun bald vorbei wäre und man ihr in den letzten Minuten Hilfe angedeihen ließe, legte ihr ein scharf riechendes Tüchlein aufs Gesicht und die Schmerzen waren wie weggeblasen. Auch die Gegenwart schien fern, so fern. Wie hinter weichen Wattewänden hörte sie Großmutter und Tante Halina an ihr hantieren und flüstern. Die Anwesenheit der beiden war irgendwie unwirklich, wie alles, was früher wichtig und bedeutungsvoll schien, seine Schwere verlor. Sie schwebte auf Wolken, fühlte wie der Kopf des kleinen Wesens aus ihrem Leib geholt wurde. Es tat nicht weh.
Erst der Entsetzensschrei der beiden Frauen holte sie in die Wirklichkeit zurück.
Schlagartig tauchte das Gesicht der Schweinehirtin aus ihrem Albtraum vor ihr auf. Sie hörte deren Fluch, als stünde sie neben ihr.
„Was ist mit meinem Kind passiert?“, kreischte Isabella.
„Alles ist gut“, sagte Tante Halina und drückte ihr das Tuch mit der seltsam getränkten Flüssigkeit so fest auf die Haut, dass ihr die Sinne schwanden. Aus weiter Ferne hörte sie das Klappen der Tür und unzählige Schritte, die hereinkamen. Dann hakte sich das Bewusstsein komplett aus.
Als sie erwachte, saß Karina neben ihr, hielt ihre Hand, hatte rot geränderte Augen.
„Du hast geweint“, stellte Isabella fest. „Warum?“
Die Base erschrak, fasste sich aber sofort. „Mein Liebling, du hast Zwillinge bekommen. Zwei Jungen.“
„Zwillinge? Und beides Jungen? Na, das ist doch ein Grund zur Freude. Ich bin glücklich“, jubelte die junge Mutter. „Bitte bring sie mir. Ich möchte meine Söhne sehen.“
„Später wird Großmutter sie dir zeigen. Jetzt brauchst du Ruhe.“
„Ich benötige keine Ruhe, will meine Kinder bei mir haben. Muss sie stillen. Sie werden schon mächtigen Hunger haben.“
„Hab etwas Geduld.“
„Nein! Nein! Nein! Gib mir die Zwillinge. Ich habe ein Recht darauf.“ Isabella fauchte wie eine tollwütige Katze.
Da öffnete sich die Tür. Großmutter hinkte herein, ohne Kinder, mit ernstem, bekümmertem Gesicht. Isabella schwante nichts Gutes bei ihrem Anblick. Die Alte nahm auf dem Bett der Enkelin Platz.
„Isabella, die Wege des Herrgotts sind unergründlich. Manchmal stellt er uns Prüfungen, an denen wir zu zerbrechen glauben. Aber dem ist nicht so. Wir wachsen mit unseren Aufgaben. Jedes Leid, das uns nicht tötet, macht uns stärker. Und ich weiß, du bist eine starke Frau, wirst wie eine Löwenmutter für deine Kinder kämpfen, sie lieben mit jeder Faser deines Herzens, denn sie sind von dem Mann, den du dir erwählt hast. Versprich mir, dass du nicht mit deinem Schicksal haderst.“
„Ich verspreche es“, sagte Isabella feierlich und wunderte sich über die mysteriöse Zeremonie.
„Denk daran, in
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