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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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Bein nachwächst, Ulrich? Oder deinem Bruder der linke Arm?“ Victors Stimme triefte vor Sarkasmus.
    „Es ist nicht meine Schuld, dass ihr eure Gliedmaßen verloren habt. Dafür seid ihr allein verantwortlich.“ Er winkte in Richtung der Kutsche. Sofort eilten Lakaien mit zwei Sänften herbei, betteten Victor und den widerstrebenden Christian darauf und trugen sie behutsam zum Gefährt.
    Christian übergab Richard Sander einen Umschlag, der an seinen Feind Spinola gerichtet war. Er hatte in der Nacht die Sätze zu Papier gebracht: ‚Zwar habe ich einen Arm in der Schlacht verloren, doch zum Kampfe bleibt mir der andere. Mit dem werde ich Euch und Euer satanisches Heer vernichten. Grausam soll meine Rache sein!’
    „Sende einen Boten zum spanischen Heeresführer, der ihm persönlich den Brief aushändigt. Das Schriftstück darf nicht verloren gehen. Sander, du bürgst mir mit deinem Kopf dafür.“
    Richard nickte. „Werde ihn selbst abliefern. Verlasst Euch darauf, mein Feldherr.“
    „Noch etwas. Lass eine Gedenkmünze an meine ruhmreiche Schlacht mit der Inschrift ‚Altera restat’ prägen. Sie soll für alle Zeiten von meinem Heldentum zeugen. Denn auch mit einem Arm bin ich unbezwingbar.“
    Rich ard bewahrte Haltung. „Jawohl, Euer Gnaden. Ich werde alles zu Eurer Zufriedenheit veranlassen.“
    Alwin nahm auf einem gepolsterten Sitz, der mit rotem Samt bezogen war, zwischen den Heeresführern Platz, hielt von jedem eine Hand.
    „Was wird aus Isabella und Bernhard?“, wandte er sich an Ulrich.
    „Ich überlasse sie Richard Sanders Obhut. Er wird dafür Sorge tragen, dass ihnen kein Leid geschieht. Sander, du hältst die Stellung. Ich befördere dich, kraft meines Amtes als Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, zum Oberbefehlshaber des niedersächsischen Heeres, bis mein Bruder wieder einsatzbereit ist, das Kommando zu übernehmen.“
    Richard stand stramm, grüßte zackig mit der Hand an d er Schläfe. „Jawohl, mein Fürst.“
    Christian litt starke Schmerzen. Die Anweisungen an Sander hatten ihn viel Kraft gekostet. Das Sprechen fiel ihm schwer. Und dennoch winkte er ihn nochmals heran. Mit angestrengter Stimme flüsterte er: „Richard Sander, du trägst die Verantwortung, dass niemand aus dem Heer von meiner Abreise erfährt. Auch der Mansfelder nicht. Wenn einer mich sprechen will, sag ihm, dass ich mich in meiner Kammer auskuriere, bevor wir nach Bergen op Zoom aufbrechen, und niemanden sehen mag. Strengstes Stillschweigen ist angesagt.“
    Bevor sein frisch erna nnter Stellvertreter antworten konnte, gab Ulrich das Zeichen zur Abfahrt, und ohne langes Federlesen ließ der Kutscher des Sechsspänners die Peitsche knallen. Die Rösser stoben davon.
    An der B iegung, wo sich der Weg in zwei auseinanderstrebende Richtungen teilte, stand Isabella mit leer geweinten Augen hinter einem Holunderbusch und blickte ihnen lange nach.   
     
     
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    Wer erschrak mehr? Elisabeth, als sie ihren Lieblingssohn , des linken Arms beraubt, sah, hohlwangig und mit fiebrigen Augen, oder Christian, der seine Mutter kaum wiedererkannte?
    Sie schien um Jahre gealtert. Die stets auf ihr Äußeres bedachte, elegante Fürstin, war in ein armseliges Trauergewand gekleidet. Abgemagert, weißhaarig und mit tiefen Kummerfalten warf sie sich über die Bahre, auf der er hereingetragen wurde.
    „Mein Kind. Was hat man dir angetan? Du Sonne meines Lebens.“ Sie weinte nicht, denn Tränen hatte sie längst nicht mehr, schluchzte aber unaufhörlich, bedeckte sein schmales, eingefallenes Gesicht mit Küssen, liebkoste den noch frischen Armstumpf, der daraufhin erneut zu bluten begann.
    Ulrich wollte sie wegziehen, sah er doch, wie qualvoll der Bruder das Gesicht bei ihrer Berührung der Wunde verzog.
    „Mutter, komm. Christian hat starke Schmerzen. Du darfst ihn nicht so ungestüm begrüßen.“
    Auch die Schwestern, deren Ehemänner und ihre Kinder waren gekommen, um den geliebten Feldherren zu empfangen. Als sie ihn, den stolzen, edlen Recken in solch erbärmlichen Zustand sehen mussten, erbebten ihre Herzen und es setzte ein großes Wehgeschrei ein, was nicht gerade zu seiner Erbauung beitrug.
    „ Schweigt“, sagte er matt, „ich lebe ja noch, bin in ein paar Tagen wieder der Alte. Kümmert euch lieber um Mutter. Sie sieht furchtbar aus.“ Er tätschelte ihre Wangen, ließ es geschehen, dass sie sich an ihn klammerte, nicht von seiner Seite wich. „Ich habe noch jemand mitgebracht, der sich von Feinden das Bein

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