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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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abschlagen ließ, um mein Leben zu retten. Ein wahrer Freund. Er ist der Held.“
    Victor h atte bislang, unbeachtet von den herzoglichen Familienmitgliedern, reglos auf seiner Krankentrage gelegen und dem Klagen gelauscht. Nun umringten sie ihn, wussten nicht so recht, wie sie ihrem Mitgefühl Ausdruck verleihen sollten. Elisabeth trat auf ihn zu, ergriff seine Hände, küsste sie. „Dank dir, Victor, dass du meinen Sohn vor dem Tod bewahrt hast“, flüsterte sie ergriffen.
    Der Graf schaute ihr lang e in die Augen. Darin brannte keine Begierde, kein Verlangen nach ihm, den sie sonst liebestrunken mit ihren Blicken verschlungen hatte. Er las wie in einem offenen Buch. Und was er sah, stimmte ihn traurig. Mitleid war es, das ihre Pupillen weitete. Nichts als reines Mitleid mit ihm, dem verwundeten Krieger. Kein noch so winziger Funke der sie einst verzehrenden Leidenschaft flammte auf, als er sie wie früher aus seinen Märchenaugen anblitzte.
    „War eure Besessenheit das wert?“, fragte sie sta ttdessen und deutete auf die leere Stelle unter der Bettdecke, wo ein zweites Bein den Platz ausfüllen müsste.
    Da setzte er sich kerzengerade auf, sodass Alwin ihn nur mit Mühe zurückhalten konnte.
    „Jawohl, die Freiheit Niedersachsens ist mehr wert als mein Bein oder der Arm Eures Sohnes. Jeder Tropfen Blut, der von Protestanten vergossen wird, bringt uns dem Sieg über die katholischen Teufel ein Stückchen näher. Tausende Soldaten fallen auf dem Feld der Ehre. Wofür lassen sie ihr Leben? Für die Freiheit des Glaubens, die der Kaiser und seine Komplizen uns rauben wollen.“
    „Wenn du dich da nur nicht irrst“, widersprach Ulrich und erntete verächtliche Blicke von Victor, Christian und auch Alwin, der seinem zitternden Bruder die Hand auf die Schulter legte.     
    Do rothea, die meist für ihre Schwestern als Sprecherin fungierte, legte den Kopf schief und mischte sich ruhig, aber entschieden in das Gespräch ein. „Hier prallen unterschiedliche Welten aufeinander. Das kommt vor. Und jeder ist der festen Überzeugung, seine Ansicht sei die allein seligmachende. Würden Christian, Victor und Alwin nicht von ihrer Mission überzeugt sein, könnten sie, genau wie Ulrich, ein dem Adel angemessenes Leben führen, sich nicht im Schlamm wälzen und ihre Gliedmaßen für die Freiheit opfern. Du, Ulrich, würdest dich lieber dem Kaiser unterwerfen, deinen Prinzipien abschwören, aber dadurch viele Menschenleben retten. Beide Sichtweisen sind auf ihre Art ehrenwert. Doch wird keiner den anderen von seiner Gesinnung abbringen. Und deshalb sollten wir den Krieg draußen vor der Tür lassen.“
    „Wie recht du hast , Schwester. Wenigstens hinter den ehernen Mauern unseres Schlosses soll Friede untereinander herrschen“, pflichtete Hedwig ihr bei, und Anna Auguste fügte hinzu: „Das einzig Wichtige ist, dass unsere beiden Verwundeten so gut und so schnell wie möglich wieder gesunden. Dafür benötigen wir die besten Ärzte des Herzogtums. Ulrich, gib Anweisung, sie unverzüglich kommen zu lassen, gleich, wo sie sich gerade aufhalten.“
    „Selbstverständlich“, versicherte der Bruder, es ist mir ein echtes Herzensbedürfnis. Ich werde umgehend die nötigen Befehle erteilen.“ Er reichte Victor die Hand. „Freunde?“
    „Freunde“, erwiderte der Graf und schlug in die dargebotene Rechte ein.
    Seinem Bruder strich Ulrich durch das wirre Haar. „ Für dich werde ich die beste Prothese anfertigen lassen. Sie soll schöner und prächtiger werden, als ein von der Natur gewachsener Arm.“
    Da lachte die Familie. Lachte jenes unsichere, verkrampfte Lachen, das eher einem Weinen gleicht.
     
     
    36
     
    Victor und Alwin blieben als Gäste im Schloss der Wolfenbütteler, wo sie umhegt und gepflegt wurden.
    „Hier hast du Christian als Leidensgenossen. Und seine Familie ist dir zugetan“, sagte Alwin, wenn der Bruder zum Aufbruch in die eigenen Gemäuer drängte. „Zu Hause sind wir einsam. Kaum die richtige Umgebung, um deine Wunden und den Liebesschmerz wegen Isabella zu verarbeiten, während du im Haus der Fürstin von deinem Weh abgelenkt wirst.“
    Die Sorge um den verletzten Bruder war es jedoch nicht allein, die Alwin die Rückkehr ins heimatliche Schloss so lange wie möglich hinauszögern ließ. Er hatte schlichtweg Furcht vor den dunklen Gemächern, aus denen ihn die Gesichter der Ermordeten anstarrten. Furcht vor der Stätte, so still und kalt, in der die Schatten wohnten.
    Noch immer k eine Spur

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