Die Heidehexe - Historischer Roman
stürzten mit solcher Wucht auf ihn ein, dass er fluchend im Zimmer auf- und ablief. Dennoch ließ er keinen Feldscher in seine Nähe. Nur Isabella durfte die Hand begutachten. Zwar rieb sie diese mit einer kühlenden Salbe ein, die ihm ein wenig Linderung verschaffte, warnte aber vor den Folgen, wenn nicht umgehend ein Arzt die Kugel entferne.
„Was glaubst du, wie schnell ein Wundbrand entstehen kann, Christian? In dem Fall wirst du nicht nur die Hand, sondern den Arm verlieren. Damit ist nicht zu spaßen.“
„Ich habe bisher immer Glück gehabt. Es wird mich auch diesmal nicht im Stich lassen.“
„Wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen. Du wirst sehen, was du von deiner Sturheit hast.“ Mit diesen Worten verließ Isabella das Zimmer, verärgert, aber ebenso traurig über die Uneinsichtigkeit des Herzogs.
An Victors Kammer ging sie vorbei. Sie fühlte mit ihm, ahnte, wie ihn der Verlust seines Beines mitnahm, hätte ihn zu gern getröstet, ihr Haupt an seine Schulter gelehnt. Der Treuebruch ließ es nicht zu, nach ihm zu schauen. Und womöglich saß gerade Barbara an seinem Bett. Oh nein, hurtig fort aus der Gefahrenzone.
Christian, dem sowohl der Erfolg als auch der Schmerz den Kopf vernebelten, konnte nicht einschlafen. Um zwei Uhr in der Nacht klopfte er an Victors Tür. Ihm war in seiner Kampfbesessenheit auf dem Schlachtfeld entgangen, dass der Freund seinetwegen den rechten Unterschenkel verloren hatte.
Wie vom Blitz getroffen, stierte er auf den verbundenen Stumpf.
„Ja, mein stolzer Fürst. Gestern hast du noch große Reden geschwungen, wolltest lieber tot als ein Krüppel sein. Und heute sind wir beide Invaliden“, begrüßte Victor ihn. Nur ein leichtes Zucken um die Mundwinkel verriet, wie er mit dem Schicksal haderte.
„Ich bin kaum verletzt. Ein paar Tage, dann ist die Hand wieder einsatzbereit. Aber wann und wo hat man dein Bein abgeschlagen, teurer Freund?“
Victor erzählte ihm das Geschehen und Christian war entsetzt. „Weil du mir helfen wolltest, musst du nun einbeinig durchs Leben humpeln. Und ich war so sehr ins Gefecht vertieft, dass ich nichts davon mitbekommen habe. Schande über mich.“
„Das darfst du nicht denken, geschweige denn, sagen. Wir sind beide Opfer des Krieges geworden, wussten vorher, auf was wir uns einlassen. Heute hast du deinem Namen wieder einmal alle Ehre gemacht. Der tolle Christian. Ja, das bist du. Schon als Kind habe ich dich bewundert, und tue es immer noch. Vielleicht mehr denn je. Aber ein Krüppel bleibst du dennoch. Versuch dir nichts vorzumachen. Du weißt es so gut wie ich. Dein linker Arm wird dran glauben müssen.“
„Wir werden sehen. Nun schlaf gut und träume von zwei gesunden Beinen.“
„Und du von zwei gesunden Armen.“
In seinem Zimmer angekommen, schickte der Prinz seinen Ordonanzburschen zu Isabella, mit der Bitte, ihm einen Schlaftrunk zu verabreichen. Auch sie hatte noch kein Auge zugetan und brachte Christian die gewünschte Medizin. Bevor er sie schluckte, erzählte er der Gräfin von Victor und wie leid dieser ihm täte. Isabella nickte, flößte ihm den Schlummertrunk, versetzt mit Schmerzmitteln, ein und binnen weniger Minuten schnarchte der Fürst gleichmäßig vor sich hin.
Als sie an Victors Gemach vorbeikam, hörte sie ihn stöhnen und glaubte zwischendurch auch bitterliches Weinen zu vernehmen. Weitergehen, flüsterte eine Stimme in ihr. Sie konnte es nicht , verharrte vor der Tür. Nach allem, was er und Barbara ihr angetan hatten, brachte sie es jedoch nicht fertig, die Klinke niederzudrücken und ihm, nach dem sich ihr Herz verzehrte, Trost zu spenden. Isabella ließ ihn mit seinen Schmerzen und der Verzweiflung allein.
Am nächsten Tag betrat Barbara sein Krankenzimmer mit einem Blumenstrauß, überreichte ihn dem Verletzten und sagte freundlich, aber bestimmt: „Mein Lieber, ich habe mir unsere Verbindung noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Komme zu keiner anderen Entscheidung als der, dass ich mein Leben nicht an der Seite eines Krüppels verbringen möchte. Sei mir nicht böse. Doch ich bin zu jung, um als Pflegerin zu agieren. Mach dir um mich keine Gedanken. Ich finde einen gesunden Vater für mein Kind. Da habe ich keine Bange.“ Sie wollte ihm zum Abschied einen Kuss auf die Wange geben. Er drehte den Kopf weg.
„Auch gut. Dann eben nicht. Lebe wohl, mein edler Ritter. Schade für deine Schönheit, dass du nicht mehr heile bist.“
Victor trommelte sich mit
Weitere Kostenlose Bücher