Die Heidehexe - Historischer Roman
ihm geblieben war, hievte er sie über seine Schulter, trug sie von dannen.
„Alles wird gut“, seufzte sie, als der Herzog sie auf ihr Lager gleiten ließ. Er lächelte. „Das sagst du immer dann, wenn du nicht mehr weiter weißt, süße Tanzfee.“
„Stimm t, Christian. Trotzdem glaub mir, dass alles wieder ins Lot kommt. Gut Ding will Weile haben.“
38
Bereits am nächsten Tag brachen Christians und Mansfelds Heere nach Bergen op Zoom auf. Isabella warnte, noch ein paar Tage zu warten, denn es hatte ein sintflutartiger Septemberregen eingesetzt, der die unbefestigten Wege in wahre Schlammbäder verwandelte, das Vorwärtskommen für Mensch und Pferde zur Qual werden ließ.
Bis zu den Knien versanken die Fußsoldaten im Matsch. Viele stürzten und konnten nur mit Müh und Not in dem sie umklammernden Sumpf wieder aufgerichtet werden. Nicht anders erging es den Rössern. Am sc hlimmsten bekamen es die Kutschen ab, deren Räder stündlich steckenblieben und unter massivster Kraftaufbietung aus den Schlammlöchern befreit werden mussten, um kurz darauf aufs Neue einzusinken.
Durchweicht vom Regen, der ihre Leiber peitschte, robbten die Truppen hustend und niesend in Richtung Holland. Von Marschieren konnte keine Rede sein. Der Braunschweiger war von den Schmerzen, die unter der Prothese in seinem noch längst nicht verheilten linken Armstumpf wüteten, halb besinnungslos.
„Lass es für heute genug sein“, bat Isabella. „Auf ein paar Tage kommt es nicht an. So, wie du dich selbst und die Armee schindest, wird nur ein Haufen Seuchenkranker das Ziel erreichen. Das kannst du nicht verantworten, Christian.“
Er blickte sie aus fiebrigen Augen an, deutete auf den Handschuh an seinem Helm und lächelte. „Sie wartet auf mich.“ Da schwieg Isabella und betete heimlich, dass er sich nicht täuschen möge.
Unerbittlich trieb der Halberstädter die Truppen vorwärts, sodass Ernst von Mansfeld missbilligend den Kopf schüttelte, sich jedoch nicht einmischte.
Nachts wälzten sie sich auf feuchter Erde, notdürftig in Decken gewickelt, die einige Minuten später ebenso durchnässt wie die Soldaten waren, und froren zum Gotterbarmen. Aus allen Richtungen durchschnitten bellendes Husten und stinkende Durchfallgeräusche das Jammern des Ostwinds und die ihn begleitende Melodie des Regens.
Als sie nach einigen Tagen die Kirchturmspitze der Stadt aus der Ferne gewahrten, hatte sich das Wetter geändert. Ein sonn iger Altweibersommer wollte die Regenflut wieder gutmachen. Aber die Soldateska schleppte sich matt und krank dahin, was Spinola, der Bergen op Zoom mit seinem Heer belagerte, nicht wissen konnte. Fluchtartig räumten die Spanier das Feld, sobald sie die anrückenden Heere erspähten.
Die Kleider genauso verkrustet wie die Gesichter, trafen die Mannen des Halberstädters und des Mansfelders in Holland ein. Von den ursprünglich einundzwanzigtausend Soldaten erreichten lediglich zwölftausend ihr Ziel. Die anderen waren von der Ruhr dahingerafft worden. Da die Seuche noch längst nicht überstanden war, wurde den Ankömmlingen ein nicht gerade herzlicher Empfang bereitet. Bergen op Zooms Bevölkerung fürchtete die Ansteckungsgefahr, aber auch die schaurig anzusehenden Gestalten.
Der König sandte keine Abgesandten zu Pferd, um Christian und dem Mansfelder seinen Dank auszusprechen, dass sie die Spanier vertrieben hatten, oder sie ins Schloss einzuladen. Wie geduldete Aussätzige mussten sie am Rand der Stadt ihre Lager aufschlagen, von einigen mitleidigen Bürgern mit Nahrung versorgt, auf die sich die Ausgehungerten wie Raubtiere stürzten. Doch die Lebensmittel reichten nicht, sodass knurrende Mägen ihre Besitzer zur Rebellion anfeuerten. Hatten die Heeresführer ihnen nicht ein Land, in dem Milch und Honig flossen, für all die Strapazen in Aussicht gestellt?
Es waren Isabella und die anderen Kräuterheilerinnen, die es schafften, den Unmut der Aufsässigen zu besänftigen. Von Christian und Ernst von Mansfeld forderten sie jedoch sehr erbost umgehend anständige Verpflegung für deren Truppen ein.
Die beiden Feldherren befanden sich in einer Zwickmühle. Einerseits fühlten sie sich durch Moritz von Oraniens Verhalten schwer gedemütigt und ihr Stolz wollte nicht zulassen, sich noch mehr vor ihm zu erniedrigen, indem sie vor ihm zu Kreuze krochen und wie Bettler um milde Gaben ersuchten, andrerseits standen sie in der Pflicht, ihre Truppen nicht völlig vor die Hunde gehen zu
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