Die Heidehexe - Historischer Roman
vielleicht als strahlender Jüngling auf dich zu und verdreht dir den Kopf. Ist durchaus möglich.“
„Solche Worte aus deinem Mund? Du sagst doch immer, ich soll nicht abergläubisch sein. Bist ein Christ, durch und durch.“
„Auch wir Christen wissen, dass es Übernatürliches gibt. Würden die Könige und Fürsten des Abendlandes sonst so eilfertig Hexen und Zauberer verbrennen?“
„ Wir wollen nicht streiten, Onkel, sondern lieber beratschlagen, was zu tun ist, um den kommenden Winter hier in Holland möglichst unbeschadet zu überstehen. Die Oranier würden uns lieber heute als morgen fortjagen. Für sie sind wir eine Plage, da in letzter Zeit kein Angriff der Spanier mehr erfolgt ist. Unnütze Esser, mit denen sie ihr karges Brot nicht teilen wollen. Ich sehe schlimme Zeiten auf uns zukommen.“
„Sind sie nicht schlimm genug?“
„Doch. Schlimmer als ich es mir je hätte träumen lassen. Und die Sorge um Christians Zustand, seit ihn die Pfalzgräfin so schnöde verstoßen hat, bringt mich schier um den Verstand.“
„Lieber sollte dich der Zustand deines Gemahls um den Verstand bringen.“
„Was weißt du, wie es in mir aussieht, Onkel Richard? Fühlst du die Beklemmung in meiner Brust, sobald sich meine Gedanken zu ihm verirren? Hörst du seine Stimme meinen Namen rufen? Nein. Aber für mich schillert sein Gesicht auf jeder Pfütze, brennt sein Blick in jedem Laubhaufen, in jedem Blatt, das zur Erde fällt.“
„Und was ist mit deinen behinderten Zwillingen? Sie wachsen mutterlos auf, während du hier lautstark über Bürgerpflichten, Freiheit und Ehre philosophierst. Deine Pflicht ist es, deinen armen Kindern eine gute Mutter zu sein. Krieg ist Männersache.“
Da antwortete Isabella nicht, stahl sich davon. L eichte Beute für den nahenden Winter.
Das Murren der Einwohner von Bergen op Zoom war unüberhörbar. Als sich wüste Beschimpfungen und Tätlichkeiten gegen die Soldaten mehrten, beschloss der Mansfelder mit seinen Truppen abzuziehen. Sander und Isabella versuchten, ihn umzustimmen, doch er ließ sich nicht aufhalten.
„Wir werden durch das Stift Münster marschieren und uns in Ostfriesland einnisten. Dort holen wir uns mit Gewalt, was uns zusteht. Ich bin es leid, meine Soldaten hungern zu sehen, während der Königshof im Überfluss schwelgt. Er hat uns in seine Dienste genommen. Zum Dank für unseren Schutz werden wir auf übelste Weise von der Bevölkerung verunglimpft, und Moritz von Oranien ignoriert unsere Anwesenheit. Isabella, Ihr seid eine gescheite Heilerin. Sagt dem Braunschweiger, dass er langsam aus seinem Selbstmitleid erwachen muss. Er trägt die Verantwortung für seine Armee, kann nicht Tage und Nächte verschlafen und sich bedauern. Wegen eines verheirateten Weibsbilds, das nichts mehr von ihm wissen will, richtet er nicht nur sich selbst zugrunde, sondern euch alle. Sein Verhalten ist mir zuwider. Sagt ihm das, wenn er mal einen lichten Moment hat.“
„Mansfelder, der Herzog ist krank. Ihr könnt ihn und uns nicht einfach dem Schicksal überlassen.“
„Und ob ich das kann. Wenn Christian zur Vernunft gekommen ist, seid ihr mir herzlich willkommen. Denn auch für uns ist es nicht einfach, ohne seine Truppen als Unterstützung, Ostfriesland zu erreichen. Wir sehen uns, tapfere Walküre.“
Er nennt mich Walküre, ohne zu wissen, dass Victor mir diesen Namen gegeben hat, dachte sie.
„Ich heiße Skögull und kämpfe bis zum letzten Blutstropfen für die Freiheit!“, rief sie dem Mansfelder hinterher.
Er drehte sich kurz um, winkte ihr zu und erwiderte: „Ach , Ihr seid das. Die Lieblingstochter Gott Odins und seiner Gemahlin Frigg. Dass ich es nicht längst erkannt habe, wundert mich. Grüßt Eure Eltern vom Mansfelder, berichtet ihnen, wie schlecht es für die Religionsfreiheit ausschaut. Wird Zeit, dass sie eingreifen.“ Er lachte dröhnend, schwang sich auf sein Ross und ritt zum Tor hinaus. Sein Tross folgte ihm.
Isabella schwenkte ihr Taschentuch durch die Luft, bis auch der Letzte außer Sichtweite war . Trist und verwaist erschien ihr die Stätte nach dem Abzug des Mansfelder Heeres und seiner ironischen Heiterkeit.
Die anschließenden Monate hielten, was der Oktober versprochen hatte. Mit klir rendem Fuß stapfte Novembergrau ins Land, Raureif und Frost als Begleiter. Dezemberweiß tanzte den Schneeflockenreigen mit seiner bleichen Braut, der hochmütigen Polarkälte. Aus dem Norden war sie angereist, malte glitzernde Eisblumen
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