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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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alle verflucht. Mich nicht.“
    Ohne auf die Rede des Mansfelders weiter einzugehen, zog Isabella Christian hinter sich her, bettete ihn auf dessen Lagerstatt.
    „Erzähl, was dir widerfahren ist. Ich bin verschwiegen wie die gefallenen Soldaten.“
    Christian lehnte seinen Kopf an ihren Busen, der so weich war und fest zugleich. Sie ließ ihn gewäh ren, fühlte sogar ein angenehmes Prickeln in den Adern. Rot, blutrot wie die Wunden der Sterbenden glänzten die sich öffnenden Lippen. „Sie sind nicht verschwiegen, die toten Soldaten. Suchen mich jede Nacht heim, stellen mir immer dieselbe Frage.“
    „Die da lautet?“
    „Nie sagen sie mehr als das einzige Wort ‚Warum?’. Und nie kann ich eine Antwort geben, die ihren Tod rechtfertigt. Hörst du? Nie.“
    „Ist es die Freiheit nicht wert, sein Leben für sie zu geben?“
    Christian richtete sich auf, sah sie mit unglücklichen Augen an. „Ich weiß es nicht mehr. Früher hätte ich ohne zu zögern Ja gesagt. Mittlerweile habe ich zu viele elendiglich krepieren sehen. Mit offenen Bäuchen, aus denen das Gekröse herausquellte. Mit abgeschlagenen Gliedern und Häuptern. Überall sehe ich Blut, Meere von Blut.“
    „Und Feuer, Christian? Auch Feuer, die ihr legtet? Auch die hungernde Bevölkerung? Die vergewaltigten Frauen und die totgeschlagenen Gatten?“
    „Nein, Isabella, die sehe ich nicht, sondern jene, die von den Truppen des Kaisers geschändet, getötet, ausgeplündert wurden. Ich habe die von Tilly und Konsorten in Brand gesetzten Häuser vor Augen und grenzenlose Wut.“
    „Merkst du nicht, dass wir uns im Kreise drehen? Entweder du stehst weiterhin zu deiner Überzeugung oder kehrst noch heute mit mir heim. Es kann nicht angehen, dass du wegen eines verheirateten Weibsbilds deine Ideale verrätst. Elisabeth hat dich nur benutzt, Christian. Von Anfang an.“
    „Das ist nicht wahr.“
    „Oh doch. Und du weißt es. Oder warum trägst du nicht mehr ihren Handschuh am Hut oder Helm? Weshalb soll Sander die Inschrift ‚Tout pour Dieu et pour elle’ von deinem Helm entfernen? Ich habe die Worte wohl vernommen.“
    „Also gut. Sie hat mich verraten, gedemütigt, verletzt. Ich leide wie ein Tier. Bist du zufrieden?“
    „Christian, du sollst nicht leiden. Dafür werde ich die Pfalzgräfin bis an mein Lebensende verachten.“
    „Ich auch. Und jetzt will ich schlafen, nur noch schlafen. Geh bitte und gönn mir meine Ruhe. Habe genug vom Kanonendonner und dem Lärm des Krieges.“
    „Sag mir wenigstens, wo du die Woche gesteckt hast. Wir haben die gesamte Umgebung nach dir abgesucht. Kein Mensch kann sich in Luft auflösen.“
    „Ich musste den Schmerz mit mir allein ausmachen, Isabella. Habe mich in einer Höhle verkrochen und meine Wunden geleckt, wie ein angeschossener Wolf.“
    „Ja, das bist du. Ein einsamer, angeschossener Wolf. Und genauso zähe. Einem Wolf liegt es im Blut, nie aufzugeben, stets weiterzukämpfen.“
    Er zog sich die Decke über den Kopf , drehte ihr den Rücken zu, murmelte:
    „Am liebsten möchte ich sterben. Dann wäre es für immer still.“
              
                  
    41
     
    Mit schwerer Hand schob Richard Sander den Riegel vor die Pforte des Zauns, der das Lager von der Außenwelt abschirmte. Sein Blick zum Himmel kündete ihm, dass es ein harter Winter werden würde. Mit Kälte und Hunger, Seuchen und Erfrierungen. Und Leichen, die der Frost gebiert. Denn Brennholz und warme Decken waren rar.
    „Die Schneevögel sind in diesem Jahr früh angekommen, Isabella“, sagte er. „Sieh nur. Welch ruppiges schwarzes Gefieder sie tragen. Kreischen bereits Ende Oktober nach Fressen.“
    „Ja, so viele Raben. Aber mein lieber Pavor ist nicht dazwischen. Ich fürchte, er hat mich vergessen, Onkel Richard. Seit jenem unseligen Tag, als er Victor in die Heimat folgte, ist er nicht mehr gekommen. Ob ihm etwas zugestoßen ist?“
    Sander lachte. „Der stirbt nie. Ist ein Wiedergänger. Hat dir das deine Mutter nicht erzählt? Ich nehme an, dass der Vogel bei Viktor geblieben ist, um ihm neuen Mut zuzusprechen. Mut, den er verloren hat, nach dem Verlust seines Beines und …“, er machte eine kunstvolle Pause, legte die Stirn in Falten und fuhr in ruppigem Ton fort: „und nachdem du ihm seinen Ausrutscher nicht verziehen hast, ihn in seinem Unglück allein lässt. Pavor ist immer dort, wo er am meisten gebraucht wird. Ist eine gute Fee im Körper eines Tieres. In seinem nächsten Leben kommt er

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