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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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mag mir gar nicht ausmalen, in welcher Verfassung er sich befindet. Womöglich hat er sich das Leben genommen.“
     
         
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    Alle Männer, die sich auf den Beinen halten konnten, schwärmten aus, den Heeresführer aufzuspüren. Frauen und  Kinder des Trosses, die Seuchenkranken und Bernhard blieben im Lager. Isabella ließ sich nicht abwimmeln, zog mit den Soldaten los. Ihr Gewissen piesackte sie unaufhörlich, dass sie ihn zu dem Besuch beim Oranier angestachelt, ja, sogar behauptet hatte, die Pfalzgräfin würde vor Freude über das Wiedersehen aus dem Häuschen sein. Sie hatte das Fiasko geahnt, ihn wissentlich ins Verderben geschickt. Es ist meine Schuld, hämmerte ihr Herz im Gleichklang mit dem Pulsschlag.
    Abends kehrten sie unverrichteter Dinge heim. Keine Spur von dem Vermissten. Am nächsten Tag dieselbe erfolglose Suche. Mittlerweile mochte auch der Mansfelder nicht mehr an seine harmlose Hypothese glauben. Widerwillig unternahm er einen Canossagang, sprach beim holländischen König vor. Dieser hielt es nicht für nötig, ihn hereinbitten zu lassen, geschweige denn, seinen Gast persönlich zu empfangen. Einen Bediensteten wies er an, dem Krieger auszurichten, dass er nichts vom Verbleib des Braunschweigers wisse. Und Ernst von Mansfeld zog gedemütigt zu den Seinen.
    Nach einer Woche glaubten selbst die standhaftesten Zweifler, dass dem Herzog ein Unglück zugestoßen sein müsste. Die Stimmung im Heer war hoffnungslos. Jeder tat seine Meinung kund, was wohl geschehen sein mochte. Manche waren derart abstrus, dass Sander, dem gläubigen Christenmenschen, die schütteren Haare zu Berge standen. Einer wollte gesehen habe, wie Odin höchstpersönlich ihn zu sich nach Walhalla holte, um ihm weiteres Leiden zu ersparen. Ein zweiter schwor Stein und Bein, die Spanier hätten ihn entführt, um ihn durch Folter zu bewegen, dem Protestantismus den Rücken zu kehren und ein frommer Katholik zu werden. Die Mehrzahl versteifte sich darauf, er sei mit der Pfalzgräfin durchgebrannt, und deren Gemahl habe gedroht, jedem Schwätzer, der das Geheimnis ausplaudere, würde, ebenso wie Christian, der linke Arm ohne Betäubung abgesägt.  
    Als die Behauptungen immer weiter ausuferten, begaben sich Isabella, der Mansfelder und Richard Sander in die Unterkünfte und verboten den Soldaten und dem mitreisenden  Tross weitere aus der Luft gegriffene Phantastereien.
    „Gleichgültig, wer auch immer in Zukunft derartige Schauergeschichten von sich gibt, wird von mir zur Rechenschaft gezogen werden. Glaubt fest daran, unser Heeresführer lebt. Heil dem tollen Christian!“, rief Isabella in die Schar.
    „Heil Christian!“, echote es zu ihrem Erstaunen aus den Mündern der Anwesenden.
    „Danke“, hörte sie eine matte Stimme hinter sich und schnellte herum.
    „Bist du’s wirklich? Du Unbezwingbarer.“ Isabella vermochte sich nicht zu beherrschen, warf sich an Christians Brust. Er trägt den Handschuh der Pfalzgräfin nicht mehr an seinem Hut, schoss es ihr als Erstes durch den Kopf.
    „Totgesagte leben lang“, donnerte der Mansfelder los, entriss Isabella den Heimkehrer, schloss ihn in seine Arme. Da wollte auch Sander nicht zurückstehen und umschlang den Recken.
    „Das sag lieber nicht zu laut, Ernst“, entgegnete der Braunschweiger, nachdem er sich aus den Umklammerungen befreit hatte.
    „Was?“
    „Dass Totgesagte lange leben. Ich komme direkt aus der Hölle und werde auch dort landen. Wird nicht mehr lange dauern.“
    „Mag sein. Wer dich sieht, könnte durchaus auf den Gedanken kommen, einen der Hölle Entsprungenen vor sich zu haben. Siehst aus, als hätten dich die Würmer angeknabbert. Oder die Schweine.“ Er grölte über seine taktlose Bemerkung. Ungeachtet des Braunschweigers maskenhaften Gesichtes, aus dem jegliche Farbe gewichen war, fuhr er fort: „Hat die alte Schweinehirtin dir eventuell aufgelauert und dich verschleppt?“
    „Was wisst Ihr von der Schweinehirtin?“, unterbrach Isabella das Schwadronieren des Mansfelders. Kaum hatte sie die Erwähnung des Namens vernommen, waren ihr die unheimlichen Bilder ihres Paderborner Traumes durchs Gehirn gezüngelt. Schweißperlen rannen ihr übers Gesicht, das von hektischen roten Flecken überzogen wurde. Magen und Darm verknoteten zu einer Einheit aus Übelkeit und Furcht. Um Herz und Seele webte die Leichenspinne unsichtbare Netze der Angst. 
    „Wir sind ihr auf dem Weg zum Schloss begegnet. Sie hat wirres Zeug gesabbelt und euch

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