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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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an Fensterscheiben, flocht Flüssen und Weihern Zöpfe aus Winterhaut, setzte Bäumen und Sträuchern funkelnde Silberdiademe auf verschneite Häupter und hauchte Christians siechen Soldaten ihren Todesatem ein.
    Es war ein kümmerliches Häufchen, das in der holländischen Unterkunft dieser unbezwingbaren Herrin die Stirn bot. Bald lag selbst Isabella mit einer Lungenentzündung danieder. Sie, die als guter Engel der Niedersachsen galt, sonst mit Kräutertinkturen an hundert Stellen gleichzeitig hantierte, Kranken und Verwundeten Linderung der Schmerzen und oft Heilung brachte, wand sich in Fieberkrämpfen, röchelte, hustete, spuckte Blut.
    Richard Sander hielt die Stellung. Musste sie halten, wenn die Verzweiflung nicht Oberhand gewinnen sollte. Der Brummbär ging durch die Reihen der Sterbenden, tröstete sie, sprach den Genesenden Mut zu, versuchte, mit nicht erkrankten Kräuterweibern Isabellas Vorräte in der richtigen Dosierung den um Hilfe Winselnden zu verabreichen. 
    Die Sorge um Rubinas Tochter zerfurchte sein Gesicht, ließ es um Jahre altern. Als Isabella von Stunde zu Stunde hinfälliger wurde, fasste er sich ein Herz, drang zur Schlafstätte des Braunschweigers vor und rüttelte ihn unsanft.
    „Wie kannst du es wagen, meine Ruhe zu stören, Sander?“, schnauzte Christian.
    „Gevatter Tod will uns Isabella entreißen“, sagte der Alte leise und biss sich auf die Unterlippe, um nicht loszuheulen.
    Die Worte wirkten wie ein Zauber, weckten das von Liebesleid zerschmetterte Herz des Fürsten aus seiner Teilnahmslosigkeit. Verstört sprang er hoch, raste, gleich einem Berserker, ans Lager der Dahindämmernden. Ihr Anblick sprengte den Stein in seiner Brust, zertrümmerte ihn in Abertausende Scherben, die von den Tränen, die er vergoss, weggeschwemmt wurden. Erstaunt bemerkte Christian, dass wieder Gefühle durch seine Adern pulsierten, kniete nieder, ergriff Isabellas glühende Hand, drückte einen scheuen Kuss darauf.
    „Verlass mich nicht, du, meine Jugendliebe. Geh nicht fort. Bleib bei mir. Kämpfe gegen Satan, der dich aus dem Reich der Lebenden entführen will, wie du es immer getan hast. Hörst du mich, Isabella? Kämpfe.“
    Er sah, dass menschliche Hilfe zu spät kam, neigte seinen Kopf tiefer und tiefer, bis die Nase den schmuddeligen Boden berührte, und betete so intensiv, wie er es fast vergessen geglaubt hatte, wich Tag und Nacht nicht von ihrer Seite, flehte Gott unablässig um Beistand an. Richard Sander betrachtete ihn aufmerksam, warf sich ebenfalls auf die Erde und stimmte in die Gebete ein.
      
     
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    Als Isabella Tage später die Augen aufschlug, sah sie die beiden Betenden zu ihren Füßen liegen und den himmlischen Vater um ein Wunder anflehen. Gerührt wollte sie sich hinsetzen, Christian und Sander für ihre aufopfernden Gebete danken, sank sofort wieder zurück.
    „Es geht mir besser“, flüsterte sie daher matt. 
    „Gelobt sei der Herr“, scholl es wie aus einem Munde. Sie erhoben sich, legten die Hände auf die Stirn der Kranken, fühlten, dass sie fieberfrei war und knieten sich sofort erneut hin, um Lobgesänge gen Himmel zu senden.
    Eins der Kräuterweiber kam wenig später hinzu, um die kühlenden Wadenwickel zu erneuern, mochte nicht glauben, was geschehen war, als es Isabellas leuchtende Pupillen erblickte. Noch vor einigen Stunden hatten sie stumpf und glanzlos in die Luft gestarrt, ohne Bewusstsein, dem Tod näher als dem Leben. Und jetzt lächelte ein blasser Mund ihr aus dem Stapel Wolldecken freundlich entgegen. 
    „Ist es denn die Möglichkeit?“, jauchzte die Heilerin. „Unser Herr Jesus hat wieder einmal bewiesen, dass er stärker als der Sensenmann ist.“
    Christian stellte sich auf seine Füße, reckte drei Schwurfinger in die Höhe und gelobte feierlich: „Im Angesicht des uns widerfahrenen Wunders, gelobe ich erneut, für die Religionsfreiheit zu streiten, bis dass mein Auge bricht. Verzeih, oh Herr, meinen Treueeid einer Unwürdigen geleistet zu haben. Nur dir will ich fortan dienen, wie ich es seinerzeit bei meiner Ernennung zum Bischof von Halberstadt geschworen habe.“
    Bei seinen Worten wurde es stiller als in der Kirche. Isabella unterdrückte den Hustenreiz, der sie überfallen wollte. Ergriffen lauschten alle dem Gelübde. 
    Christian hielt sein Versprechen. Er war wie umgewandelt, fast so wie früher, schmiedete Pläne, arbeitete Strategien aus, dem Kaiser den Sieg streitig zu machen. Und er sandte Richard Sander mit einem

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