Die Heidehexe - Historischer Roman
schütten frisches Heu und Stroh auf die Lager, flößten ihnen Wasser ein, fütterten sie mit Haferbrei.
Abends kam Isabella völlig ausgelaugt von der schweren Arbeit ins Schloss, sehnte sich nach Schlaf. Aber sobald sie Victor mit den Kindern am Tor stehen sag, verwehten Rückenschmerzen und Müdigkeit mit dem Sommerwind, und die Sterne sandten Seligkeit herab.
Märchen gehörten mittlerweile zum festen Ritual für Wilhelm und Alexander. Bevor die Mutter ihnen nicht mindestens drei Geschichten erzählt hatte, taten sie kein Auge zu.
Und zum ebenso festen Ritual zählte die Einschlafzeremonie mit Victor. Nicht eine einzige Nacht verging, ohne dass er ihren Körper mit Küssen bedeckte und Brüste und den Maikristall liebkoste, während sie sein steifes Glied verwöhnte. Erst wenn der Maikristall Victors Zunge spürte und wie ein Diamant zu funkeln begann, vereinte sich das Paar zu einem Lustgestein aus Feuer.
Monate vergingen. Und der Winter brachte Kälte , Schnee und schlagartig ein Ende der teuflischen Epidemie. Kein neuer Pestkranker traf im Spital ein. So plötzlich, wie die Seuche ausgebrochen war, verschwand sie aus Braunschweig und Umgebung. Obwohl in fast jedem Haus mindestens ein Toter zu beklagen war, kehrte der Alltag ein, als hätte es die furchtbare Krankheit nie gegeben. Die Menschen wollten sie so rasch wie möglich aus ihrem Bewusstsein verbannen, konzentrierten sich vermehrt auf das Kriegsgeschehen, das nichts von seinem Schrecken verloren hatte.
Isabella und Victor brauchten ihr Liebesverlangen nicht mehr auf nächtliche Stunden zu begrenzen. Bereits nach dem Aufwachen fielen sie wie ausgehungerte Raubtiere übereinander her, konnten nie genug von einander bekommen. Am liebsten hätten sie ihr Himmelbett zu keiner Tageszeit verlassen, sondern sich ausschließlich dem Rausch der Liebe und Lust hingegeben.
Doch die Zwillinge forderten lautstark ihre Rechte an den Eltern ein, mochten nicht mit den diversen Kindermädchen vorlieb nehmen. Da das Grafenpaar dem Nachwuchs keinen Wunsch abschlagen konnte, mussten sie wohl oder übel ihr Verlangen nacheinander stundenweise unterbrechen und sich den Knirpsen widmen. Lange Spaziergänge wurden unternommen, Schlittenfahrten in die Umgebung, mit sechs vorgespannten Schimmeln, von denen jeder eine Glocke um den Hals trug, die laut bimmelten, und Alexander und Wilhelm zu fröhlichen, von der Mutter gelernten Liedern animiertem. Kräftig sangen sie nach der Melodie des Glockenklanges, Victor und Isabella stimmten aus voller Kehle ein und der Kutscher schwang die Peitsche im Takt durch die Luft.
Geschwind trabten die Rösser durch den Schnee. Mal in den Harz, mal in die Heide und ab und zu in den Deister, wo der Graf überall kleine Schlösser sein Eigen nannte. S o blieb die Familie manchmal wochenlang in einer der Residenzen und vergnügte sich.
Abends spielte Victor so virtuos auf seiner Geige, dass er mühelos den Zigeunern aus Isabellas Sippe den Rang ablief. Sie lachte und weinte mit ihm bei jedem seiner Lieder. Und dazu sang seine verlockende, dunkle Stimme von Liebe, Sehnsucht und Liebesweh.
„Du machst uns traurig mit deinen Melodien. Ich aber will fröhlich und ausgelassen sein, Balder. Um uns herum wütet er Krieg. Wir aber haben uns mitten im Kampfgetümmel eine Insel des Friedens und der Geborgenheit geschaffen. Hier lass uns die Schrecken der Welt ver gessen, nur unserem Glück huldigen“, bat Isabella.
Da flitzte der Geigenbogen über die Saiten . Wild und leidenschaftlich schmetterte der Graf aus voller Kehle feurige Weisen der Leidenschaft und Sinnlichkeit durch den Raum.
Isabella erschauerte vor Begierde, konnte nicht anders, als sich in ihren heißblütigen Tänzen auszutoben. Steppte mit den Füßen ungestüm auf den Boden, verrenkte die Glieder in auffordernden Bewegungen, ließ ihr Becken kreisen und hob die Röcke hoch. Auch Victor vermochte nicht länger an sich zu halten, warf sein Weib über seine Schulter, trug sie ins Schlafzimmer und gab ihr Liebe. So viel Liebe.
Die blinden Söhne mussten diesmal von den Kindermädchen zu Bett gebracht werden, was sie mit trotzigem Geschrei quittierten. Aber das Verlangen der Eltern nach einander hatte keinen Aufschub geduldet. Und am nächsten Morgen wurden Alexander und Wilhelm mit noch mehr Fürsorge und Zärtlichkeit, als ohnehin üblich, von Isabella und Victor entschädigt.
Verliebt wie in den Tagen ihres Kennenlernens, drängte es das Paar zueinander hin. Später würde
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