Die Heidehexe - Historischer Roman
nen Kapuzen sah, kroch die Furcht wie eine Schlange durch ihren Leib, lähmte mit Giftzähnen den Herzschlag für Sekunden, schnellte in die Blase, sodass Isabella auf den Steinboden urinierte.
„ Jetzt geht’s dir an den Kragen, Hexe. Hat lange genug gedauert. Aber morgen wirst du brennen“, verkündete einer der Henkersknechte, und die anderen grinsten zynisch, die Pfütze zwischen ihren Füßen gewahrend. Der Meister, erkennbar an scharlachroter Robe, im Gegensatz zu der grauen, mit bunten Fetzen gekennzeichneten Kluft seines Gefolges, schloss schweigend die Käfigtür auf.
B rutale Gehilfen rissen ihr die Kleider herunter, streiften ihr das für den Scheiterhaufen bestimmte Büßerhemd über und ketteten die Arme an den Gitterstäben knapp unter der Decke fest. Unmöglich, die Füße auf den Boden zu stellen. So schwebte sie mit hochgezogenen Schultern in der Luft. Die Schmerzen waren unerträglich, doch kein Laut entwich den aufgequollenen Lippen.
„Sicher ist sicher“, verkündete der Bulligste von ihnen, „nicht, dass jemand aus deiner Zigeunersippe auf die Idee kommt, dich befreien zu wollen. Gewitzt sind sie ja. Und schleichen wie Tiger um den Kerker herum.“
Er überreichte den Schlüssel seinem Meister, der ihn mit einem Ring am Gurt der Kutte befestigte, an der bereits Dutzende anderer Schlüssel ihr Dasein fristeten.
„Hier kommt niemand herein. Sollte es dennoch ein Desperado schaffen, die ehernen Mauern zu überwinden, wird er gleich neben dir auf dem Scheiterhaufen geröstet“, fiel ihm ein Zweiter ins Wort, „der Meister selbst hat darauf bestanden, wegen der Gefahr, die von dir ausgeht, Wache zu halten, bis dir morgen früh der Garaus gemacht wird.“
D ie Worte der Kapuzenmänner drangen nicht bis zu ihr vor. In Schmerz und Pein gehüllt, stierte sie mit glanzlosen Augen ins Nirgendwo. Dezemberschnee ist kalt, aber der Schnee im Kopf einer Todgeweihten ist kälter, lässt das Innere gefrieren, keine Stimme durch das klirrende Eis der Seele dringen.
Die Marterbuben wollten sich entfernen, noch ein paar Stunden aufs Ohr legen, bevor sie ihr schauriges Handwerk beginnen würden. Ehrerbietig verabschiedeten sie sich von ihrem Befehlshaber.
„Halt“, herrschte er sie an, „lasst mir eine Fackel hier. Oder soll ich in Finsternis Wache schieben?“
Augenblicklich wurde ihm eine Fackel ausgehändigt und um Verzeihung für die Nachlässigkeit gebeten. Geräuschvoll entfernte sich die Todesschwadron, Isabella blieb mit dem Henkermeister zurück.
Es ist ei n schmaler Grat, der Leben und Tod trennt. Weh, geht ein Schritt daneben, sinnierte sie, den Scharfrichter betrachtend. Morgen werde ich diesen Schritt tun, den brüchigen Grat verlassen, durch Henkers Hand auf den Pfad ins Jenseits geführt.
Sie sah, wie sich seine Lippen bewegten, wollte ihm nicht zuhören. Irgendwelchen Rechtfertigungen für sein Tun lauschen oder gar Mahnungen zur Reue und Buße vernehmen. Verächtlich spuckte sie vor ihm aus .
„Hast du Angst?“, fragte eine bekannte Stimme, die sie nicht gleich zuordnen konnte, „Brauchst du nicht. Dir wird nichts passieren. Isabella, ich will nichts Böses.“
Sie hatte sic h vorgenommen, kein Wort mit dem Todbringer zu wechseln. Bei diesem Satz drangen die Laute trotzdem aus dem Mund: „Sieh mal an. Der Henker will mir nichts Böses. Brennen soll die Hexe. Aber das ist ja etwas Gutes für sie. Menschenverachtender geht’s nicht.“
Ein zweites Mal spuckte sie vor ihm aus.
„Mädchen, ich bin gekommen, dich zu befreien.“
Isabella horchte auf, schluchzte. „Treibt ruhig Euren Spott mit mir. Ich werde nicht mehr zuhören.“
„Bitte, glaub mir doch. Ich hole dich heraus aus dem Dunkel, verscheuche die Gespenster, die dich umschwirren.“
„Für mich ist immer Nacht. Und die bösen Feen weichen nicht von meiner Seite, nicht die Seelenfänger und erst recht nicht die Angstgeschöpfe. Sie flüstern und raunen ohne Unterlass. Aber leise, leise, leise. M orgen früh müssen sie ein neues Opfer suchen. Wenn ich auf dem Scheiterhaufen meinen Geist zu Mutter, Victor – und Christian schicke, die auf dem Abendstern warten und mich herbeisehnen.“
„Ich bin bei dir un d treibe alle Ungeheuer davon.“
„Soll das als Trost gelten? Das Versprechen des Henkers, bei mir zu sein? Nein, das jagt mir noch mehr Furcht ein. Besonders Eure Stimme klingt bedrohlich, weckt düstere Erinnerungen an eine ferne, vergessene Zeit.“
Er trat dicht an sie her an, dass sie
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