Die Heidehexe - Historischer Roman
Mittagessen ritt er in Ulrichs Residenz, wo ihn dessen Gemahlin mit säuerlichem Lächeln empfing, murrend ein Gedeck mehr auftragen ließ und sich gleich nach dem gemeinsamen Mahl in ihre Kemenate entfernte.
Sie führten keine gute Ehe, Christians Bruder und seine Gattin Anna Sophia von Brandenburg. Dennoch hatte der Prinz ihn nie klagen oder gar ein böses Wort über seine Angetraute verlieren hören. Sanft wie ein Lamm folgte er ihren Anweisungen, wie er allzeit darauf bedacht war, es mit niemand zu verderben, mit allen gut Freund zu sein.
„Was führt dich zu mir, lieber Bruder?“, fragte er, kaum dass sie allein im Herrenzimmer saßen und eine Pfeife schmauchten.
„Das muss ich dir nicht zum hundertsten Mal sagen, Ulrich. Der Pfalzgraf braucht unsere Hilfe. Ich benötige eine größere Streitmacht und ein höheres Besoldungsbudget.“
„Die Kassen sind leer.“
„Dann sieh zu, wie du Geld auftreiben kannst. Setz die Steuern herauf oder lass dir etwas anderes einfallen. Wir sind Protestanten und in der Pflicht, unseren Glauben zu verteidigen, koste es, was es wolle. Ernst von Mansfeld steht in der Pfalz mit seinem Heer allein auf weiter Flur, muss sich nach allen Seiten gegen die wie Maikäfer einfallenden Katholiken wehren.“
„Geh mir los mit dem Mansfelder“, sagte Ulrich freundlich. „Der ist kein Feldherr und ein Ehrenmann schon gar nicht. Außerehelicher Bastard des katholischen Reichsfürsten von Luxemburg.“
„Immerhin hat er das Kriegshandwerk von der Pike auf gelernt. Wurde schon als Fünf zehnjähriger vom strengen Vater mit seinem erheblich älteren Halbbruder Fürst Karl von Mansfeld fünfzehnhundertfünfundneunzig in den ‚Langen Türkenkrieg’ geschickt. Und als Karl kurz darauf an einer der ungarischen Kriegsseuchen verschied, kämpfte er noch jahrelang dort weiter. Was ist daran verwerflich?“
„D ass er von 1604 bis 1607 unter den Habsburgern diente, weil das Erbe, das sein Vater ihm hinterlassen hatte, nur aus Schulden bestand.“
„Ulrich, du warst immer ein großspuriger Hetzer und wirst es auch bleiben. Sitzt hinterm warmen Ofen und stößt Beleidigungen gegen tapfere Heeresführer aus.“
„Ach, ich denke doch, dass die Habsburger unsere Erzfeinde sind. Sie wollen den Protestantismus wieder abschaffen, Brüderchen. Es sind diejenigen, gegen die du ins Feld ziehen willst.“
„Bereits 1610 hat Ernst von Mansfeld die Fronten gewechselt, kämpft mit den Protestanten. Das ist es, was zählt. Für Vergangnes gibt der Jude nichts.“
„Lass mich endlich zufrieden. Keiner weiß, ob er nicht immer noch Katholik ist. Ich habe jedenfalls nie gehört, dass er evangelisch wurde. Er hängt das Mäntelchen nach dem Wind. Wer ihm am meisten zahlt, wird prompt sein Kriegsherr. Da kennt der feine Herr nichts. Und seine Truppen bestehen aus Halunken und Desperados aller Herren Länder. Ziehen raubend und mordend durch die Pfalz. Kein Hof ist vor ihm sicher.“
„Umso wichtiger ist es, ihm zur Seite zu stehen.
Johann t’ Serclaes Tilly, dem Feldherrn der Katholischen Liga und den Spaniern die Stirn zu bieten. Denn sie sind die Kriegstreiber.“
„Christian, vergis s nicht, dass es außer mir den Herzog von Lüneburg gibt. Unser Onkel Georg hat erst vor wenigen Tagen ein zwölfjähriges Mädchen als Hexe verbrennen lassen wollen. Zum Glück konnte es mit Hilfe von Rubinas Kindern vom brennenden Scheiterhaufen fliehen. Die drei werden im Reich gesucht wie Schwerverbrecher, bisher aber noch nicht aufgespürt. Und dieser Mann soll deinem Vorhaben zustimmen? Träum weiter.“
„Du brauchst seine Erlaubnis nicht. Ihr seid gleichrangig. Ich benötige lediglich deinen Auftrag, die Protestantische Union gegen die Katholische Liga ins Feld ziehen zu lassen.“
„Ich will dir gern geben, was ich zu entbehren vermag, das ist wenig. Du musst jedoch die Kirche vollmachen, bevor du predigen kannst. Die Familien deiner Freunde müssen auch das Ihrige dazu beitragen, ein angemessenes Heer auf die Beine zu stellen. In solchen Zeiten kommt keiner ohne schwere Verluste davon. Nimm dir die Adligen zur Brust. Dann sehen wir weiter.“
Wa s Ulrich sagt, ist einleuchtend, grübelte Christian auf dem Heimweg vor sich hin, verdammt, alle müssen Federn lassen, nicht nur unser Geschlecht. Und sind die Herren nicht willig, werde ich Mittel und Wege finden, sie gefügig zu machen. Als Erstes beehre ich morgen Victors Vater mit meinem Besuch. Der überhebliche Despot ist mir seit langem ein Dorn
Weitere Kostenlose Bücher