Die Heidehexe - Historischer Roman
Kindes tiefer, so, wie du es eben bei mir gesehen hast. Ich kann nicht mehr hier weg.“
Sander schwitzte. Auf seinem Gesicht glühten hektische rote Flecken. Aber er gehorchte ohne Widerworte , quetschte mit einer der riesigen Pranken, das Mädchen eisern auf das Lager, mit der anderen wuchtete er das kleine Lebewesen durch den Unterkörper der Mutter.
„Es kommt! Es kommt!“, rief Isabella, dehnte mit beiden Händen den Muttermund so weit, dass der Damm zwischen Scheide und After einriss, packte den Kopf des Ankömmlings, zerrte ihn aus dem blutenden Schoß.
G eschafft. Der Körper des Säuglings flutschte, gleich einem Fisch, ohne weitere Anstrengung heraus. Isabella griff ihn an den Beinen, ließ den Kopf nach unten baumeln und versetzte dem Neugeborenen einen leichten Klaps auf den Po. Es schrie. Da lachte die Zigeunermaid.
„I st ein Junge. Strammes Bürschchen. Und völlig gesund.“
Isabella durchtr ennte die Nabelschnur, wusch den blutverschmierten, krähenden Knaben mit dem von Richard abgekochtem Wasser, wickelte ihn in warme Tücher und legte das Bündel der Mutter an die Brust.
„Danke“, hauchte die erschöpfte Kleine und strahlte. „Ich heiße übrigens Barbara.“
„Schön. Herzlichen Glückwunsch, Barbara. Somit haben wir heute zwei Leben gerettet.“ Isabella sank an Richard Sanders Brust. Beide umarmten sich glücklich.
„Bist ein Prachtmädchen. Deine Mutter wäre stolz auf dich“, sagte Richard anerkennend.
„Auf dich auch. Hast dich wacker gehalten.“
„Nee, nee, das sieht nur so aus. Beinahe wäre ich umgekippt. Einmal und nie wieder werde ich einer Geburt beiwohnen. Bin froh, dass ich nicht als Weibsbild zur Welt gekommen bin. Teufel auch. Jetzt brauche ich einen Kräuterschnaps. Aber einen, der Leib und Seele zusammenflickt.“
„Und … ich?“, meldete sich Bernhard zu Worte, der die ganze Zeit in einer Ecke dem Geschehen zugeschaut hatte.
„Ich glaube, wir alle könnten jetzt einen kräftigen Schluck vertragen, oder, Barbara?“, posaunte Isabella, während sie aus dem Eckschrank eine große Flasche mit Rubinas hochprozentigem Gebräu angelte.
„Und ob“, beteuerte die kleine Mutter voll Inbrunst. Kaum hatte sie das Glas an den Mund gesetzt, entglitt es ihren Händen und zerprang in tausend Teile. Schrille Schmerzensschreie, die von den Verbrennungen herrührten, flohen über wunde Lippen. Während des Geburtsvorgangs waren sie in den Hintergrund getreten, machten sich nun umso deutlicher bemerkbar.
„Was nun, Isabella?“, fragte Sander nervös. „Du kannst sie doch nicht wieder mit Mohnsaft betäuben. Der geht in die Muttermilch über. Der Säugling muss gestillt werden.“
„Als ob ich das nicht wüsste .“ Isabella ärgerte sich zum ersten Mal über die besserwisserische Art des Onkels. „Lass mich nur machen. Im Augenblick haben die Schmerzen der kleinen Mutter Vorrang. Sie wird so lange unter Betäubung gehalten, wie ich es für richtig halte. Den Neugeborenen werde ich ihr regelmäßig zum Stillen anlegen und darauf achten, dass er genug trinkt. Klar wird er nach dem Absetzen der Medizin Suchterscheinungen aufweisen. Aber im Moment habe ich keine andere Wahl. Für die Entwöhnung kenne ich ebenfalls Mittelchen, verlass dich darauf. Misch dich nicht in Sachen, von denen du nichts verstehst.“
Du ebenso wenig, wollte Richard erwidern. Er untersagte sich den Satz, hatte er doch das unsichere Vibrieren aus Isabellas ruppigen Worten herausgehört. Auf keinen Fall wollte er sie noch mehr aufregen, lagen ihre Nerven ohnehin bereits völlig blank. So dachte er nur bei sich, dass der Himmel dieser hilflosen kleinen Schar beistehen möge.
„Ich geh dann mal lieber, glaube, dass ihr ohne mich alten Schlaumeier besser zurechtkommt. Isabella, ich verlasse mich auf dich.“
„Fein“, entgegnete sie gereizt.
Er wandte sich zum Gehen. „Was du auch tust, mein Mädchen, tu es in Rubinas Sinn. Dann wird dir alles gelingen. Dennoch muss ich dir eins mit auf den Weg geben.
Ich möchte nie wieder von irgendwelchen germanischen Göttern hören, Isabella. Wenn du bei einem anderen solche Worte verlauten lässt, ist der Scheiterhaufen dein. Es gibt nur einen Gott und seinen Gegenspieler Satan, der suchet, welchen er verführe. Mädchen, du bist eine getaufte Christin. Also verhalte dich auch so. Kämpfe gegen den Bösen an, der dir von heidnischen Gottheiten ins Ohr flüstert.“
„Aber einem von ihnen bin ich selbst begegnet“,
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