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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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abgeschlagenen Haupt sehen sollte. Schade, dachte Christian, ich habe sie nicht kennengelernt und selbst im Tode bleibt mir ihr Anblick verborgen. Aber er verstand durchaus die Beweggründe, verabschiedete sich mit einer tiefen Verbeugung vor dem Sarg und wollte gehen.
    „Warte, Christian“, flüsterte der alte Graf, „ich geleite dich hinaus.“
    „Das ist nicht nötig, bleibt bei Euren Verwandten. Sie brauchen Euch jetzt.“
    „Bin gleich wieder da. Aber ich will dir meinen Verdacht mitteilen, ohne dass sie davon erfahren müssen.“ Er ging nicht auf die abweisende Haltung des Bischofs ein, folgte ihm zum Ausgang. Auch Adelheid heftete sich an seine Fersen.
    Christian wollte zur Kutsche eilen. Der Alte hielt ihn am Rockzipfel fest. 
    „Ich weiß, wer meine zukünftige Schwiegertochter ermordet hat.“
    „Ihr kennt den Täter?“ fragte der Fürstensohn überrascht.
    „Nicht den Täter“, sagte der Graf verschwörerisch und legte den Zeigefinger auf die Lippen, „die Täterin! Es war Rubinas Tochter, die ihre Mutter rächen wollte, was ihr ja auch vortrefflich gelungen ist.“
    „Habt Ihr sie beobachtet oder in der Gegend gesehen?“
    „Wo denkst du hin? Sie wäre mir nicht entkommen, das Miststück.“
    „Warum behauptet Ihr es dann?“
    „Christian. Muss ich dir wirklich erst erklären, wie sie ins Schloss hereinkam?“
    „Allerdings. Ich bin kein Freund von haltlosen Verdächtigungen und Verleumdungen.“
    „Auf ihrem Besen kam sie durch die Lüfte geritten, als wir schliefen, und schlug mit einer Axt meiner Freundin Annalena den Kopf ab, getrieben von blindem Vergeltungswahn“, beteuerte Adelheid furchtsam und zitterte wie ein gefangenes Kaninchen.
    „So ein Unsinn. Wer kann wohl auf einem Besen durch die Lüfte reiten?“
    „Jede Hexe. Jede. Und Rubinas Tochter ist eine Hexe, genau, wie ihre Mutter eine war“, brüllte der Graf Christian nach, der grußlos davonrannte und dem Kutscher Befehl gab, sofort abzufahren.
    Abends schlich Adelheid in eines der Gesindehäuser, belauschte die Gespräche der Mägde und Knechte, die sich dort versammelt hatten und mit gedämpften Stimmen Schauergeschichten über Geister, Werwölfe, Buhlschaften des Satans und Hexenflüge erzählten. Einige behaupteten steif und fest, in der vergangenen Nacht eine Hexe auf ihrem Besen durch den Schornstein in Annalenas Zimmer gleiten gesehen zu haben.
    „Grausig sah sie aus. Mit roten Augen und einer Hakennase, auf der sich eine haarige Warze befand“, berichtete eine Kammerjungfer.
    „Warum hast du uns nicht geweckt, damit wir der Fürstentochter zu Hilfe eilen konnten?“, forschte Knecht Franz.
    „Weil ich vor Angst fast gestorben bin. So unheimlich wirkte sie. Außerdem kann unsereins gegen Hexen ohnehin nichts ausrichten. Sie verzaubern dich in eine Maus oder eine Ratte oder Gott weiß was. Dann nehmen sie die Gestalt einer Katze an und fressen dich.“
    Allen, wie sie so dasaßen, schlotterten die Knie. Furcht erfüllte den stickigen Raum.
    „War sie ganz in Schwarz gekleidet?“, erkundigte sich Küchenmädchen Liesbeth, die immer genau Bescheid wissen wollte.
    „Nein. Das war ja besonders gruselig. Sie trug ein buntes Flickenkleid mit Schellen daran, die bei jeder ihrer Bewegungen läuteten.“
    Adelheid sprang aus ihrem Versteck hervor.
    „Das kann nur Rubinas Tochter gewesen sein. Die beiden stammen vom fahrenden Volk ab. Kein Zweifel. Sie ist die Hexe, will sich an uns rächen!“, kreischte sie der verdutzten Dienerschaft entgegen.
    „Aber sie hat keine Hakennase, sondern sieht aus wie ein Engel“, warf Franz ungläubig ein.
    „Das ist ja das Perfide. Sie können jede Gestalt annehmen. Nur nachts kommt ihr wahres Hexenaussehen zum Vorschein.“
    Am nächsten Morgen wurde Victors Schwester enthauptet in ihrem Bett aufgefunden.
    Wie ein Lauffeuer verbreitete sich im Lande, dass im Grimmshagener Schloss ein zweiter bestialischer Mord geschehen war. Als Christian es erfuhr, verzichtete er auf den Beileidsbesuch, schickte vielmehr Kuriere zu seinem Bruder und dessen Frau, sowie zu den Schwestern mit Familien und ersuchte sie, sich mit ihm bei der Herzogin zu treffen, um das weitere Vorgehen abzustimmen, denn der Fürstenfamilie oblag es, möglichst rasch die innerhalb kürzester Zeit verübten Bluttaten aufzuklären, wollte sie sich nicht einer Rebellion des empörten Volkes aussetzen.     
    Mittags, während die Sonne senkrecht am Himmel stand, fuhren die Kutschen vor. Es wurde sich nicht lange

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