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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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von ihm und Barbara und wollte Isabella mit einem Handkuss für ihr Opfer danken. Doch sie winkte ab, geleitete ihn zu den Stallungen und bot ihm ihre Lippen dar. Er umarmte und küsste sie so werbend süß, dass dem Mädchen der Verzicht auf den Goldschatz nicht gereute. Sein Kuss schmeckte ganz anders als der des Henkersohns Paul Gebhard, den er ihr für ein paar Liter Ziegenmilch aufgezwängt hatte. Wundersame Gefühle durchrieselten sie. Ihr Körper bebte, als seine Zunge fordernd in ihre Mundhöhle eindrang, weich mit der ihren spielte, voll Verlangen nach mehr, bis sie sich ihm entwand und flüsterte: „Geduld, mein Ritter. Ich werde dir das Paradies auf diese Erde holen, verlass dich drauf.“
    „Ich weiß.“ Victor strahlte Vorfreude aus jeder Pore seines Körpers und seine Augen leuchteten.
    Er schwang sich auf Asputin, der sich ob des zusätzlichen Gewichts weigerte, einen Schritt vor den anderen zu setzen.
    „Dann musst du wohl oder übel die Nacht bei mir verbringen“, lachte Isabella übermütig.
    „Nur zu gern. Leider ruft die Pflicht, und Christian soll  doch morgen über seinen getreuen Freund staunen, nicht wahr?“
    „Ja, das soll er.“
    Da spannte das Mädchen die Kutsche an und Victor verstaute die Säcke darin.
    „So ist die Fracht leichter für Asputin, und du kannst auf dem Kutschbock Platz nehmen.“
    „Danke für alles.“
    „Leb wohl, du edler Recke!“, rief Isabella pathetisch.
    Der Liebste wandte kurz den Kopf, denn Asputin hatte es plötzlich verdammt eilig, und schrie ebenso überschw änglich in die Dunkelheit: „Lebwohl, du Schönste der Schönen! Ich bin bald wieder hier!“
    Isabella lächelte zufrieden, strebte der Erdhöhle zu. Zwischendurch blieb sie stehen, saugte die               Sommernachtluft in die Lungen, leckte über die Lippen, auf denen noch sein Kuss brannte, und riss die Arme in die Höhe.
    „Hurra! Der Zauber hat gewirkt!“
     
     
    19
     
    Morgens wu rde Victor durch eindringliches Geschrei geweckt. Alwin stand vor seinem Bett und weinte.
    „Mutter ist tot. Enthauptet, wie Adelheid und Annalena. Und auch diesmal hat niemand etwas gesehen oder gehört. Ach, Victor, ist das nicht furchtbar? Unsere geliebte Mutter. Tot.“
    „Wie verkraftet es Vater?“ Victors erste Reaktion auf die Schreckensbotschaft des Bruders galt ihm, den er, trotz häufiger Differenzen, mit kindlicher Verehrung liebte.
    Alwin sah ihn aus rotgeränderten Augen verständnislos an. „Mutter ist ermordet worden. Und du erkundigst dich nach Vaters Befinden. Hast du meine Worte nicht verstanden oder berührt dich dieses Verbrechen nicht, Victor?“
    „Doch. Es ist schrecklich“, sagte er halbherzig und bemühte sich, eine Träne hervorzuquetschen, was ihm nicht gelang. Er hatte nie etwas für die strenge, kühle Frau empfunden, zumal sie ihn immer hatte spüren lassen, dass Alwin ihr viel mehr ans Herz gewachsen war. „Goldkind“, war er von ihr in aller Öffentlichkeit gerufen worden, während sie für ihn nie ein freundliches Wort fand. Alwin war verhätschelt und verwöhnt worden, jeder Wunsch ihm praktisch von den Augen abgelesen, Adelheid und er unter ‚ferner liefen’ eingestuft.
    Für Alwin kam ihr Tod dem Weltuntergang gleich. Victor fühlte, was in dem Bruder vorging, nahm ihn in die Arme, strich ihm durchs Blondhaar. Er sah ihm ähnlich und war doch charakterlich völlig anders. Feingeistig, sensibel, den schönen Künsten zugetan und allerweil nah am Wasser gebaut. Ein verzärtelter Jüngling, der dem rauen Leben ab jetzt schutzlos gegenüberstand.
    Victor hatte seine Kindheit und Jugend mi t Christian bei dessen Onkel, dem Dänenkönig, verbracht, war harten Strafen und fremden Launen ausgesetzt gewesen, wenn er mal wieder mit dem Freund schlimme Streiche ausgeheckt und umgesetzt hatte. Als Abenteuer hatten sie es empfunden, einem alten Mütterchen das Dach überm Kopf anzuzünden oder dem einbeinigen Fischer die Netze durchzuschneiden, sowie sie sämtliche Untaten, die sich anhäuften, als lustig ansahen.
    „Böse Bu ben“, hatte Christians Onkel sie genannt, womit er den Nagel auf den Kopf traf.
    Aber sie waren auch an Mut und Tollkühnheit den Kindern ihres Alters weit voraus gewesen. Kein Berg zu hoch, kein See zu tief, um ihre Grenzen auszutesten, sich an Waghalsigkeit gegenseitig zu überbieten.  
    Nie war Victor Mutterliebe im fernen Land zuteil geworden.
    Katharinas Ableben ließ ihn kalt, nicht aber der Gedanke an Isabella, die ihn in

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