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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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ihren Netzen gefangen hielt. Und jene mochte er keinesfalls so zerreißen, wie seinerzeit die des Fischers.
    Ich muss zu Christian, ihm den Schatz aushändigen, schoss es ihm durch den Sinn. Also reichte n eine Katzenwäsche und wenige Bürstenstriche über das schulterlange Haar aus. Schleunigst in die Kleidung geschlüpft.
    „Willst du denn Mutter nicht noch einmal sehen?“, fragte Alwin weinerlich.
    „Ich bin auf dem Weg in die Schlosskapelle. Kannst dich gern anschließen, Kleiner.“
    Kerzen flackerten um den Ebenholzsarg, in dem die Leiche, sorgfältig vom Bestatter zusammengeschustert , den abgeschlagenen Kopf auf den blutleeren Hals genäht und mit Puder fingerdick eingestäubt, zur letzten Ruhe gebettet lag. Der warme Schein ließ ihre Gesichtszüge weicher erscheinen als zu Lebzeiten. Sie trug ein rotes Brokatkleid, mit Schmuck überhäuft.
    Victor verbeugte sich vor der Toten, sprach ein kurzes Gebet, wandte sich an seinen Vater, der wie ein Häufchen Unglück auf einem samtbezogenen Sessel neben dem Sarg saß, die von Leichenstarre befallen e Hand hielt und in sich hineinschluchzte. Leere Augen, gramgebeugter Rücken, unrasiert. Ein gebrochener Mann, der nicht fassen konnte, was geschehen war.
    „Vater, lieber Herr Vater“, flüsterte Victor, der sich an die vielen Streitereien der Eheleute erinnerte, „hat Euch der Verlust so tief getroffen?“
    „Was für eine dümmliche Bemerkung“, raunzte dieser ihn an, „ich bin krank an Leib und Seele. Dieses Unglück überlebe ich nicht, folge eurer Mutter nach in das Reich Gottes, wo es weder Kummer noch Herzeleid gibt.“
    „So dürft Ihr nicht sprechen. Alwin und ich brauchen Euch doch auch. Gerade jetzt, wo wir mutterlos sind. Was soll denn aus uns werden?“
    „Ihr seid beide erwachsene Männer, du mit deinen einundzwanzig Jahren, und Alwin ist achtzehn. Nimm ihn unter deine Fittiche. Verlass ihn nie. Ich kann nicht mehr. Meine Kraft ist dahin.“
    „Ich werde dem Arzt Bescheid geben, dass er Euch Beruhigungstropfen verordnet, die Eure wogende Seele in seichtere Gewässer steuern.“
    „Mach’s dir nicht zu leicht, mein Sohn. So viele Schicksalsschläge kurz hintereinander übersteht ein altes Herz nicht. Und dann sind da noch die Schuldgefühle. Diese verdammten Schuldgefühle, die mich zerreißen.“
    „Was meint Ihr, Vater? Ich verstehe nicht …“
    „Sei heute Abend bei Einbruch der Dämmerung zu Hause. Ich werde Alwin und dir meine Geschichte erzählen, will kein Geheimnis mit ins Grab nehmen. Nun beeile dich, damit Christian nicht noch länger auf dich wartet. Er war gestern mindestens ein Dutzend Mal da und hat nach dir verlangt. Hier kannst du ohnehin nichts mehr beschicken. Vergiss die Rückkehr nicht.“
    „Nein, Vater. Ich werde pünktlich zur Stelle sein.“
    Victor ging mit langen Schritten aus dem Trauerhaus, ließ die Kutsche anspannen und fuhr nach Wolfenbüttel, wo der Freund voll Ungeduld seiner harrte.
    „Warum bist du gestern nicht zum vereinbarten Zeitpunkt erschienen? Ich sorgte mich um dich“, begrüßte der Prinz ihn beleidigt.
    „Nicht in diesem Ton, Christian. Ich habe heute meine Mutter verloren“, schnitt Victor ihm das Wort ab.
    „Was?“ Christian war bestürzt, aufrichtig bestürzt, stürmte auf ihn zu, schloss ihn in die Arme.
    Victor berichtete ihm, dass ein weiterer Mord diesmal die Gräfin dahingerafft habe.
    „Mein herzlichstes Beileid. Wann ist die Beerdigung? Meine Familie und ich werden vollzählig erscheinen.“
    „Davon wird sie nicht wieder lebendig.“
    „Du bist selbstverständlich von weiteren Bittstellungen bei Edelleuten und Bauern freigestellt. Sie liegen dir nicht. Dein Stolz ist dir im Wege.“
    „Wenn das deine einzige Sorge ist, so kann ich dich beruhigen.“ Victor ergriff Christians Hand, rief im Vorbeilaufen zwei Dienern zu, ihnen zu folgen und zerrte den verblüfften Freund zur Kutsche, deren Türen er weit aufriss.
    „Bringt die Säcke in die Gemächer eures Herrn“, befahl er den Untergebenen und grinste.
    „Wie ein Trauernder schaust du nicht aus“, bemerkte der Herzog trocken.
    „Sollte ich?“
    „Nicht unbedingt“, erwiderte Christian, der das angespannte Verhältnis zwischen Mutter und Sohn zur Genüge kannte, „aber immerhin hat sie dir das Leben geschenkt.“
    „Würde ich behaupten, dass mich ihr Tod erschüttert, wäre ich ein elender Heuchler. Und du weißt, wie sehr mir die Lüge verhasst ist.“
    Unterdessen hatten sie die Zimmer des Fürsten

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