Die Heidehexe - Historischer Roman
uns wie Diebe.“
„Seid ihr das nicht auch in gewisser Weise? Stehlt der Herzogin den Herzbuben? Isabella will ihn sogar heiraten. Wer kann ihr verdenken, dass sie bei deinen Worten, törichtes Mädchen, aus der Haut fährt? Alter schützt vor Liebe nicht. Gewiss sitzt sie jetzt in ihrem Kämmerlein und weint sich die Augen aus.“ Er sah die betroffenen Gesichter und lachte laut. „Keine Sorge. Ich werde eine Kutsche für euch bereitstellen lassen. Und falls ihr nichts dagegen habt, bin ich gern euer Begleiter. Freue mich auf Victors Gesicht, wenn er uns erblickt. Bis gleich.“
Er wendete den Hengst und trabte zur Toreinfahrt. Sein roter Umhang flatterte wie eine Blutfahne im Wind.
„Schmucker Bursche“, schwärmte Barbara, „der könnte mir die Trübsal vertreiben. Schade, dass er von Adel ist. Für die hohen Herrschaften sind Mädchen aus dem Volk höchstens was fürs Bett.“
„Das mag auf dich zutreffen, Barbara. Ich entstamme sogar dem fahrenden Volk und gedenke trotzdem, den Grafen von Grimmshagen zu ehelichen. Also unterlass in Zukunft deine spitzen Bemerkungen.“
„Es trifft auf alle zu“, beharrte die Kleine.
Innerlich musste Isabella ihr recht geben, denn hätte sie ihn nicht durch das Pendel in Hypnose versetzt, wäre Victor wohl nicht im Traum auf den Gedanken gekommen, ein Zigeunermädchen als Braut zu erwählen. Bevor ihr schlechtes Gewissen härter hämmern konnte, fuhr die fürstliche Kutsche vor und entledigte sie der Pein.
Ein Knappe brachte Kiepe und Gepäck, hielt die Tür auf, und Barbara setzte sich wie selbstverständlich neben Christian, der nicht wusste, wie ihm geschah.
Es störte das Mädchen nicht. Sie plapperte munter drauflos und der Bischof von Halberstadt beantwortete jede ihrer Fragen. Ihm bereitete es Spaß, dem seichten Geplänkel sein Ohr zu leihen, ohne auch nur eine einzige Gehirnzelle anstrengen zu müssen. Als die Silhouette der Ortschaft Grimmshagen sich am Horizont abzeichnete, wurde er ernst.
„Isabella, du hast mir mit der Spende für unseren gerechten Krieg eine Riesenfreude gemacht. Nochmals herzlichen Dank dafür. Annehmen kann ich sie nicht. Vergrub dein Vermögen im Schlossgarten, um es dir bei passender Gelegenheit wieder auszuhändigen. Der Zeitpunkt sche int mir jetzt gekommen. Zu deiner Hochzeit werde ich den Schatz mitbringen.“
Isabella wusste nicht, ob sie sich freuen sollte oder traurig sein, weil er ihr Geschenk kategorisch ablehnte. Das Mädchen entschied sich fürs Erstere. Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass ihr ein Stein vom Herzen fiel, bereute sie doch längst ihre Freigebigkeit. Die letzten Wochen waren grausam gewesen.
Die Ankunft der Braut und des besten Freundes zauberten ein Lächeln auf Victors leidvolles Gesicht. Er umarmte beide und flüsterte Isabella zu: „Ich lasse dich nie mehr gehen. Du bist mein.“
Isabella und Barbara verschlug es in zweifacher Hinsicht die Sprache. Victors Trauer um seinen Vater lähmte jegliche Vorfreude auf die bevorstehende Hochzeit. Die kummervolle Miene beschämte besonders Isabella, weil sie so vehement auf eine unverzügliche Heirat gedrängt hatte, obwohl ihre Mutter erst vor wenigen Monaten bestialisch hingerichtet worden und der Tod der Verlobten des Bräutigams, seiner Eltern und der kleinen Schwester noch viel kürzer zurücklag. Außer seinem Vater waren auch seine Liebsten von Mörderhand gemeuchelt. Noch dazu war der Täter bis heute nicht bekannt. Ihr dämmerte, dass der Wunsch von Außenstehenden als makaber, ja, pietätlos angesehen werden musste. Am liebsten hätte sie die egoistische Forderung rückgängig gemacht, ihm angemessene Zeit zur Verarbeitung der schrecklichen Ereignisse gelassen.
Und doch pochte die unnachgiebige Stimme in ihr, nicht kurz vor dem Ziel einen Rückzieher zu machen, ihn an sich zu ketten, egal, wie bizarr das kurzfristig anberaumte Fest sogar auf sie, die zukünftige Herrin von Grimmshagen wirkte. Das zweite Kriterium, sich den endgültigen Schritt noch einmal gründlich zu überlegen, war die eisige Feindseligkeit, die jeder Stein der mittelalterlichen Burg ihr entgegenzuschreien schien. Hatte das düstere Gemäuer, mit seinen fensterlosen Türmen, verwitterten Erkern und Zinnen, ihr bereits Unbehagen eingeflößt, überfiel sie in der finsteren, verwinkelten, Empfangshalle das kalte Grauen. Was für ein Unterschied zu der lichten Atmosphäre des herzoglichen Schlosses in Wolfenbüttel.
Zwar war das Ambiente nicht weniger edel ,
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