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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt für sein Ableben ausgesucht. Aber hier können wir nicht bleiben, sind dem Tod näher als dem Leben, bei dem Gesindel, das sich in der Gegend herumtreibt.“ Sie hielt inne, überlegte angestrengt. Bernhard und Barbara hingen an ihren Lippen, als hätte das Zigeunermädchen die Weisheit für sich gepachtet.
    Völlig daneben lagen sie mit dieser Einschätzung nicht. Aus heiterem Himmel verkündete Isabella: „Ich werde der Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel einen Brief schreiben, in dem ich ihr unsere missliche Lage schildere, und sie bitten, uns mit einer Kutsche aus dem Verlies abzuholen, in dem sie meine Mutter oft besuchte, und Asyl zu gewähren. Kann nicht versprechen, dass es klappt, doch einen Versuch sollte es wert sein.“
    „Tolle Idee“, spottete Barbara, „nun muss der Brief nur noch nach Wolfenbüttel gelangen. Dazu benötigten wir einen Boten. Glaubst du, der kommt vom Himmel herabgeflogen?“
    „Allerdings, nicht wahr, Pavor?“
    „Allerdings“, wiederholte der Vogel und pickte Barbara in die Nase.
    „Aua. Blöder Rabe“, schimpfte sie und wischte sich mit der Hand das Blut aus dem Gesicht.
    „Blödes Gör. Du bleibst hier“, verkündete Pavor kämpferisch. Isabella setzte sich hin un d kritzelte etwas auf einen Zettel, den sie aus Rubinas Kladde riss.
    „Nimm ihn in den Schnabel und bring ihn der Fürstin persönlich, Pavor. Aber verlier ihn nicht unterwegs. Sonst sind wir verloren.“
    „Das Gör bleibt hier“, krächzte Pavor nachdrücklich, schnappte den Zettel und entschwand durch die offene Luke.
    Die drei wuschen ihre Kleidung mit von Rubina hergestelltem Bleichmittel, rieben auch Haare, Gesicht und Körper damit ein, dass die Leiber wie Feuer brannten, ruderten mit Armen und Beinen anschließend in der Aller, um das Teufelszeug wieder herunterzubekommen, rubbelten die Körper mit Schwämmen so gründlich ab, bis sich Teile der Haut abschälten. Die Bräune des Walnusssaftes verschwand, dafür glühten ihre Gesichter wie rohe Fleischklumpen und das Haar wollweiß. Bernhard und Barbara, die von Natur blond waren, sahen manierlich aus, Isabella musste ihre Locken mit Hennapulver färben, das Onkel Luigi von seinen Afrikareisen mitgebracht hatte.
    Die ebenfalls weißen Kleider und Bernhards Hose wurden zum Trocknen in der Höhle aufgehängt. Draußen wären sie von der Leine gestohlen worden.
    Die Leute hätten Isabella nicht als Wunderheilerin bezeichnet, wenn sie keine Abhilfe gegen die Wunden in den Gesichtern gewusst hätte. Ein paar Tröpfchen von Tinkturen aus unterschiedlichen Fläschchen ließen sie über Nacht aussehen, als würde nie ein Fitzelchen Haut gefehlt haben. 
    Am nächsten Nachmittag fuhr die Kutsche mit dem Wappen des Herzogtums von Braunschweig-Wolfenbüttel vor, einem Löwen, der die Tatzen zeigt. Aus einiger Entfernung beäugten allerlei Vagabunden das Gefährt. Keiner trat ihm zu nahe , bewies das Zeichen doch, dass ihr künftiger Kriegsherr Christian zu den Eignern zählte. Isabella, Bernhard und Barbara, mit dem Baby auf dem Arm, stiegen ungehindert ein und gelangten wohlbehalten vor dem Schloss der Herzogin in Wolfenbüttel an.
    Diener eilten herbei, halfen ihnen aus dem Wagen, trugen das spärliche Gepäck in Zimmer, eigens für die Gäste reserviert. Die Kiepe mit ihren geheimen Utensilien gab Isabella nicht aus der Hand.
    In der Eingangshalle verharrten die drei mit offenen Mündern. Zwar hatte Isabella das Schloss bereits bei jenem unseligen Besuch mit ihrer Mutter betreten, aber vor Aufregung keinen Blick für den geballten Prunk gehabt. Jetzt nahm sie ihn sehenden Auges wahr und stand ebenso überwältigt wie Barbara und Bernhard von der Weitschweifigkeit des Vestibüls und seiner luxuriösen Ausstattung da.
    Hohe, bleiverglaste Fenster ließen das Sonnenlicht ungehindert hereinfluten. Säulen und Pilaster erstrahlten in weißem Marmor, ebenso der Mosaikfußboden. Auf einem schwarzen Marmorsockel blickte eine Bronzefigur, hoch zu Ross, auf die Besucher nieder: Herzog Heinrich Julius, der Vater Ulrichs, Christians und deren Schwestern. In der Faust hielt er das Banner mit dem Wappen des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel. Streng schaute er drein, als hätte er niemals gelacht, sondern nicht nur sein Reich, sondern auch die Kinder mit eiserner Hand regiert.
    Deckenmalerei, die mittelalterliches Kampfgetümmel meisterlich wiedergab, konkurrierte mit den seidenbespannten Wänden, an denen Gemälde in

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