Die Heilerin des Kaisers
alte Mönch schmunzelte.
»Das Leben eines Königs ist nun einmal sehr unstet und mühselig. Die königlichen Güter und Pfalzen sind einzelne Stationen, die der König im Laufe eines Jahres abwechselnd aufsuchen muss, um Kirchenfeste zu feiern, Friedenspläne zu unterzeichnen, Verträge mit Feinden und Verbündeten zu schließen, Rechtsstreitigkeiten zu schlichten – und um Kriegsvorbereitungen zu betreiben.
Es gibt sowohl Feinde im Inneren wie von außen. Die Grenzen müssen gesichert und verteidigt, aufsässige Fürsten zur Einsicht gebracht werden. Immer wieder gilt es für ihn, Einsprüche, ob berechtigt oder nicht, zu untersuchen, erbitterten Widerstand und offene Feindschaft niederzukämpfen und seinen königlichen Willen durchzusetzen.« Er zuckte mit den Schultern.
»Es ist eine Tatsache, dass unser Land noch keine Hauptstadt besitzt wie andere Länder. Es gibt kein Rom, kein Jerusalem, kein Konstantinopel und kein Cordoba und auch kein Mekka in Deutschland. Nicht wenige bedauern das zutiefst – am meisten jedoch unsere Königin. Kein Wunder, dass uns viele Ausländer für Barbaren halten.«
Der Hauptteil des Zuges sollte nach Bamberg zurückreisen, nur einige wenige würden beim König bleiben, dessen nächste Station das Reichskloster Corvey an der Weser sein sollte. Diese Abtei hatte durch unerfreuliche Vorfälle von sich reden gemacht.
»Bischof Meinwerk von Paderborn hat mich mit einer ausführlichen Schilderung der schändlichen Zustände, die in Corvey herrschen sollen, förmlich überfallen.«
Heinrich saß mit seinen beiden geistlichen Beratern, den Patres Berchtold und Odo, beisammen.
»Möglich, dass der gute Meinwerk dabei ein wenig übertreibt«, vermutete Vater Odo. »Soviel ich weiß, schätzt er die Corveyer Mönche nicht besonders.«
»Ich werde selbst hinreiten und mir ein Bild von den dortigen Zuständen machen«, kündigte Herr Heinrich an. Da er wieder einmal ein ihm nur zu bekanntes Unwohlsein verspürte und eine weitere Attacke seines Steinleidens befürchtete, ersuchte er Griseldis, ihn nach Corvey zu begleiten.
»Euer Eheherr möge Nachsicht mit mir üben, dass ich ihn noch länger Eurer Gegenwart beraube«, bat der König höflich. »Aber ich würde Eure Anwesenheit überaus begrüßen.«
Griseldis hatte sich schon sehr auf die Heimreise und das Wiedersehen mit Konrad gefreut, aber andererseits war sie auch beglückt darüber, dass der Herrscher sie und ihre Heilkunst so hoch schätzte.
Ihr Gemahl kam jeden Tag erst sehr spät in der Nacht nach Hause, denn er hatte seinen Ehrgeiz dareingesetzt, den Auftrag, den der König ihm in aller Stille erteilt hatte, zügig zu vollenden. Dass es eine Bischofskirche werden sollte, war vielen bereits klar, da der Kirchenbau zwei Krypten aufwies.
Immer noch hatte sich Heinrich über seine Absichten öffentlich nicht klar geäußert. Aber vor seiner Abreise nach Paderborn war aufgefallen, dass der König ungewöhnlich viel Zeit mit seinem Baumeister verbracht und über große Pläne gebeugt stundenlang winzige Details mit ihm besprochen hatte.
Griseldis hatte ihren Mann oft nur eine Stunde am Tag gesehen, wenn sie mit seinem Essen zur Dombauhütte gegangen war. Oft vermisste sie Konrad schmerzlich. Vor allem, wenn sie wieder einmal von Frau Irmintraut verächtlich behandelt worden war. Dann sehnte sie sich nach seiner breiten Schulter zum Anlehnen und zum Ausweinen. Er verstand es immer, sie zu trösten. Konrad hatte ihr auch wie einst Pater Berchtold den Rat gegeben, dieser Dame möglichst aus dem Weg zu gehen. Und wenn sich ein Aufeinandertreffen nicht vermeiden lasse, solle sie sich auf keinen Fall von ihr herausgefordert fühlen. Immerhin sei sie mit der Königin verwandt und im Zweifelsfalle hätte Irmintrauts Wort mehr Gewicht als ihres, hatte er ihr eingeschärft.
›Ich sollte Konrad nicht mit meinen läppischen Sorgen behelligen‹, dachte die Heilerin oft. ›Als Leiter der Dombauhütte und allein verantwortlicher Baumeister für die vielen Arbeiter und Handwerker hat er gewiss selbst genug Schwierigkeiten. Bei mir, seiner Frau, sollte er sich nur wohlfühlen und seinen eigenen Ärger vergessen können.‹
Aber schwer war es doch, die ewigen Sticheleien der Base der Königin stumm zu ertragen.
Es kam vor, dass ihr mitunter ein wenig langweilig war, wenn niemand ihrer Heilkünste bedurfte. Das Sitzen in der Kemenate bei den Damen der Königin und das viele Handarbeiten waren nicht so ihre Sache, obwohl Kunigunde ihre
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