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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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der Knochen in
seine ursprüngliche Position zurückrutschte. Danach geschah
alles wie im Schlaf. »Geh dich waschen«, forderte die Tabibe sie
irgendwann auf und nahm ihr die blutigen Tücher ab, mit denen
Sapphira die Wunde abgetupft hatte. »Und Ihr«, fuhr sie
den Hekim an,
»seht zu, dass das Bein nicht von Fäulnis befallen wird.«
Sie griff nach Sapphiras Hand und drückte diese leicht –
ungeachtet des vielen Blutes. Gott sei Dank hatte der Junge nicht
viel von dem Eingriff mitbekommen. Ob es an dem Mandragorasaft lag
oder ob er vor Schmerzen das Bewusstsein verloren hatte, wusste
Sapphira nicht. Und es war ihr auch egal. Die Hauptsache war, dass
sie seine Schreie nicht von dem abgehalten hatten, was nötig
war, um sein Leben zu retten. »Das hätte ich selbst kaum
besser machen können«, lobte die Tabibe .
»Ohne dich hätte der Bursche sein Bein verloren.«
Damit schob sie Sapphira auf das hospitaleigene Hamam zu und verschwand kurz darauf
in der Arzneikammer. Eine Zeit lang begriff die junge Frau nicht, was
geschehen war. Doch dann lief ein Zittern durch ihren Körper,
und die Anspannung fiel so plötzlich von ihr ab, dass ihr die
Knie weich wurden. Um nicht zu Boden zu sinken, stützte sie sich
an der Wand ab und wartete, bis sich die Schwäche legte. Dankbar
für die Wärme, die das Hypokaustum
– die Fußbodenheizung
– verbreitete, griff sie schließlich nach einem Gefäß
und füllte es mit warmem Wasser. Beinahe andächtig reinigte
sie Hände, Arme und Gesicht, während allmählich Stolz
die Beklemmung und das Unbehagen verdrängte. Der Junge würde
dank ihr sein Bein behalten, dachte sie zufrieden und sah dabei zu,
wie sich das rot gefärbte Wasser in einer Rinne sammelte. Er
würde nicht, wie so viele der verwundeten Kriegsheimkehrer,
sterben, weil zu lange mit der Behandlung gewartet worden war. Das
schwache Lächeln auf ihren Zügen erstarb. Was, wenn es das
nächste Mal nicht ein anderer war? Sondern der, von dem sie nicht wusste, was
sie sich mehr wünschte – ihn wiederzusehen, oder ihn nicht
wiederzusehen. Sie schüttelte ungehalten den Kopf. Wie hatte die
Erinnerung an ihn nur so unvermittelt wieder lebendig werden können?,
fragte sie sich und streifte die verschmutzen Kleider ab. Warum
konnte sie ihn nicht vergessen?

Kapitel 51
     
    Bursa,
Spätherbst 1400
     
    Eine Hand
auf ihrem Bauch, die andere an dem Karfunkel an ihrem Hals, starrte
Maria Olivera Despina in den Hof hinaus. Der feine Nieselregen, der
sich wie Tau über die Blätter der Pflanzen legte, machte
die Umrisse der Gebäude unkenntlich und ließ die Farben
verschwimmen. Wie gewöhnlich herrschte trotz der schlechten
Witterung reges Treiben in den Höfen und Gärten, und sie
folgte mit leerem Blick einer Schar Jariyes, die Körbe,
Platten und Kessel aus den Palastküchen in den Flügel des
Sultans schafften. Anscheinend war Bayezid in Festlaune, da seit dem
Morgen reich gekleidete Aghas, Beğis und Emire
herbeiströmten wie Bienen zu einem Honigtopf. Sie zog die Wangen
ein und verlagerte das Gewicht auf ihr linkes Bein. Was auch immer es
war, das ihn zu dieser Zurschaustellung seiner Macht veranlasst
hatte, sie hoffte, dass es ihn davon abhielt, sie weiterhin in sein
Gemach zu befehlen. Sie kniff die Augen zusammen, als ein Mädchen
geduckt um die Ecke huschte und kurz darauf in einem Arkadengang
verschwand. Aber der Eindruck hatte getäuscht. Es war nicht das
nutzlose kleine Ding, das so dumm gewesen war, sich von der Valide bei einer Lüge ertappen zu lassen. Der Ärger, den sie
bei der Nachricht von der Überführung ihrer Helferin
empfunden hatte, war schon bald verpufft. Denn sobald ihre monatliche
Blutung ein zweites Mal ausgeblieben war, war ihr klar geworden, dass
es nicht mehr in ihrem Interesse lag, andere Mädchen von Bayezid
fernzuhalten. Mit dem Daumen ihrer Rechten drehte sie einen breiten
Diamantring an ihrem Mittelfinger und legte die Stirn in Falten.
»Euer Sohn wird durch sein eigen Fleisch und Blut den Tod
finden.« Die Worte der griechischen Sklavin hallten in ihren
Gedanken nach. Doch gleichgültig, wie oft sie die junge Frau –
unter Androhung schlimmster Strafen – dazu bewegen wollte, ihr
mehr zu sagen, stets erhielt sie dieselbe Antwort: »Mehr sehe
ich nicht. Ihr könnt mit mir machen, was Ihr wollt. Aber über
den Willen Gottes kann man sich nicht hinwegsetzen.«
        »Vermutlich
kann man das nicht«, murmelte sie und ließ sich auf der
Sitztruhe nieder, um den Kopf gegen das geschnitzte

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