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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Fenstergitter zu
legen. Aber man kann versuchen, ihn zu beeinflussen, dachte sie.
Inständig hoffend, dass er ihre Gedanken nicht lesen konnte,
schlug sie ein Kreuz vor der Brust und schickte eines der viel zu
seltenen Gebete zum Himmel. »Herr, lasse Dein Angesicht
leuchten über meinem Sohn und sei ihm gnädig«,
schloss sie und presste die Lippen aufeinander, während die
Ängste zurückkehrten. War es so, wie sie vermutete? Sie
zuckte zusammen, als sich der Diamant ein wenig zu stark in ihre Haut
grub. War es der Prinz Mehmet, vor dem sie ihr ungeborenes Kind
beschützen musste? Oder würde ein anderer Sohn des Sultans
das Leben nehmen, das sie mit jedem Tag, der verging, deutlicher in
sich spürte. Die Ankunft ihrer Zofe erlöste sie von
weiterem Grübeln. »Herrin«, sagte das Mädchen
schüchtern und verneigte sich tief. »Die Tabibe .«
Damit zog sie sich in den Hintergrund zurück und machte Platz
für die Frau, von der Olivera sich mehr als nur einen Rat
erhoffte. »Nehmt Platz«, lud sie die Ärztin ein. Als
diese der Aufforderung gefolgt war, erhob sie sich von der Sitztruhe,
um sich neben ihrer Besucherin auf einen Diwan sinken zu lassen. »Ich
brauche Eure Hilfe«, gestand sie nach einigen peinlichen
Sekunden des Schweigens, in denen die grünen Augen ihres
Gegenübers sie verstörend offen musterten. Mit dem
rabenschwarzen, von einigen silbernen Strähnen durchzogenen Haar
und dem langen Gesicht war die Ärztin das völlige Gegenteil
von Maria Olivera. Und die stille Strenge der Heilerin erfüllte
sie mit einem seltsamen Gefühl der Demut. »Ich erwarte ein
Kind«, stieß sie schließlich hervor und suchte nach
Anzeichen der Empörung im Gesicht der Tabibe. Diese zog jedoch lediglich
eine Augenbraue hoch und faltete die schlanken Hände in ihrem
Schoß. »Braut mir einen Trank, der verhindert, dass ich
das Kind verliere«, drängte Olivera. »Einen Trank,
der es in mir hält, egal, was geschieht.«

Kapitel 52
     
    Bursa,
Spätherbst 1400
     
    Mit
bleiernen Gliedern, den Kopf dröhnend von einer weiteren
schlaflosen Nacht, stolperte Falk in die kalte Dunkelheit hinaus, um
sich schlotternd an einem der Brunnen zu waschen. Auch in dieser
Nacht hatte er kein Auge zugetan, da die stets brennenden Öllampen
Muster gemalt hatten, auch wenn er die Lider noch so fest aufeinander
gepresst hatte. Mit einem Stöhnen versuchte er, die schmerzenden
Arme über den Kopf zu heben, doch da jeder Muskel in seinem Leib
wie Feuer brannte, gab er den Kampf schon bald auf. Nach einer
oberflächlichen Katzenwäsche schlüpfte er in seine
Uniform und humpelte zur Suppenausgabe, die auch bei schlechtestem
Wetter im Freien stattfand. Schweigend schaufelte er den dicken
Eintopf in sich hinein, ohne auch nur im Geringsten darauf zu achten,
wie er schmeckte. Ob seine Augen genauso tot ins Leere starrten wie
die der anderen?, fragte er sich mit einem Schaudern und leckte den
Löffel ab, um auch nicht den winzigsten Tropfen zu verschwenden.
Da die Tage inzwischen einem knochenbrechenden Ablauf folgten, würde
er alle Kraft brauchen – nur um zu überleben. Den Blick
niedergeschlagen, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wartete
er, bis der Befehl zum Aufstehen ertönte, der die Auszubildenden
in Windeseile auf die Beine brachte. Wer zu langsam war, bekam die Falaka zu spüren. Ein flaues Gefühl breitete sich in
ihm aus, als er daran dachte, wie sich der fingerdicke Stock in die
Fußsohlen seines Freundes Antonio gefressen hatte. Dieser war
bei einem Übungskampf nicht schnell genug ausgewichen und hatte
sich geweigert, dem Ausbilder die Hand zu küssen, nachdem der
Janitschar ihn mehrmals geohrfeigt hatte. Daraufhin war er von zwei
kräftigen Eunuchen gepackt und auf den Boden geworfen worden,
bevor seine nackten Füße – an einen Balken gebunden
– in die Höhe gezogen worden waren. »Seht genau
her«, hatte der Ausbilder die anderen angeschnauzt und die Rute
niedersausen lassen. Und dann waren dem ersten Hieb weitere gefolgt,
bis Antonios Fußsohlen sich in rohes Fleisch verwandelt hatten.
»Das erwartet jeden, der die Regeln nicht befolgt!«
        Drei
Tage später war Antonio verschwunden, und keiner wusste wohin.
»In Zweierreihen zum Bogenschießen antreten!«,
dröhnte die Stimme des Schützenmeisters, und Falk zog
unbewusst den Kopf ein, als er die Präsenz des alten Soldaten im
Nacken spürte. Allerdings schien heute sein Glückstag zu
sein, da der Narbengesichtige auf einen anderen Burschen zusteuerte
und

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