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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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überblicken konnte. Als er die
Holztreppe zu der kleinen Plattform erklommen hatte, war er den
Elementen noch schutzloser ausgeliefert als in dem weitläufigen
Hof des Palastes. Während er den Blick schweifen ließ,
trommelten seine Finger nervös gegen den kalten Stein. Wäre
Bayezid nicht von Timur Lenk erniedrigt worden wie ein blutiger
Anfänger der Kriegskunst, sähen die Dinge sicherlich anders
aus. Dann würde er den Osmanen weiterhin mit Versprechungen in
Schach halten können. So jedoch, musste Johannes annehmen, dass
es dem Sultan ernst war mit der Drohung, die er ihm geschickt hatte.
     
        » Übergib
mir die Stadt und ich werde ihre Bewohner schonen. Sollte mir bis
Ende des Monats Dschumada al-Ula keine Kapitulation überreicht
worden sein, werde ich eure Tore niederrennen und jeden einzelnen
Einwohner in der Stadt töten lassen.«
     
    Der Wind
schien bis auf Johannes’ Knochen durchzudringen. Er verstand,
was Bayezid zu dieser Tat trieb. Seit Monaten versuchten seine
Truppen, die Herrschaft des Sultans auf dem Balkan zu festigen, um
einen sicheren Rückhalt zu haben, sollte Timur Lenk erneut in
Anatolien einfallen. Aber ohne das Bollwerk der Stadt am Bosporus
würden ihm all diese Erfolge nicht viel nützen. Er presste
zwei Finger gegen seine Nasenwurzel und versuchte, den aufkeimenden
Kopfschmerz zu vertreiben. Er hatte nur eine Wahl. Er musste Bayezid
hinhalten und ihm erklären, dass es ihm mithilfe des Patriarchen
schon bald gelingen würde, endlich den Thron an sich zu reißen
– und dass er dann die Bevölkerung dafür gewinnen
konnte, sich dem Sultan zu unterwerfen. Sobald Bayezid eingesehen
hatte, dass diese Lösung besser war für ihn, würde er
einen Vertrag mit ihm aushandeln. Einen Vertrag, in dem er dem
Herrscher der Osmanen die Stadt mit all ihren Schätzen und
Einwohnern zusicherte, sobald es diesem gelungen war, Timur Lenk zu
schlagen. Vielleicht konnte er den Osmanen damit dazu bewegen,
Konstantinopel wieder den Rücken zu kehren und sich auf den Feind zu konzentrieren, der die gesamte östliche Welt
bedrohte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und legte sich
die Worte zurecht, die er seinem Schreiber diktieren würde.
Irgendwie musste es ihm gelingen, den Sultan davon zu überzeugen,
dass es für diesen von größerem Nutzen war, keine
weiteren Anstrengungen auf die Belagerung zu verschwenden und sich
stattdessen der Festigung seiner Macht zu widmen.

Kapitel 67
     
    Bursa,
Frühjahr 1401
     
    Die durch
das Fenster einfallenden Sonnenstrahlen weckten Bayezid weniger
sanft, als er es sich gewünscht hätte. Ein unangenehmes
Stechen breitete sich von seinen Schläfen ausgehend in seinem
Kopf aus, und er rollte sich stöhnend auf die Seite, um sich in
den Seidenkissen zu vergraben. Der saure Geschmack von Wein in seinem
Mund ließ ihn die letzte Nacht bereuen – auch wenn er
sich nicht an besonders viel erinnern konnte. Die Abwesenheit seiner
Gespielin verriet ihm, dass er alleine geschlafen haben musste. Denn
egal wie betrunken er auch war, Hüma würde es niemals
wagen, ihn ohne seine Erlaubnis zu verlassen. Er ächzte und
wünschte sich an einen kühlen, dunklen Ort. Vielleicht
hatte er sie ja fortgeschickt und konnte sich nur nicht mehr daran
erinnern. Sein Magen gurgelte und ein leises Trippeln verriet ihm die
Anwesenheit eines Pagen. »Erhabener«, wisperte der Knabe
schüchtern und sank zu Boden, als der Sultan mit einem Auge aus
dem Kissenberg schielte. »Ihr wolltet früh geweckt
werden.« Seine schmächtige Gestalt bebte, als fürchte
er, für die Störung bestraft zu werden. Widerwillig schälte
Bayezid sich aus den Decken und versuchte, das Kratzen in seinem Hals
zu vertreiben. Der Gestank seines Atems verriet ihm, dass er mehr als
einen Becher Wein zu viel getrunken hatte. Sein Schädel dröhnte.
»Bereite das Bad vor«, murmelte er und versuchte zu
ignorieren, dass der Raum sich um ihn drehte. Bevor er auch nur im
Entferntesten daran denken konnte, den Palast zu verlassen, musste er
sich von dem Gift in seinem Körper befreien. »Bring mir
Joghurt und Scherbett«, schickte er dem Pagen hinterher und
kniff die Augen zusammen, um zu verhindern, dass ihm schwindelig
wurde. Der mit Honig vermischte Granatapfelsaft würde die
Übelkeit vertreiben.
        Eine
Zeit lang saß er regungslos da und versuchte, die Kontrolle
über seinen Körper zurückzugewinnen. Als sich die
Übelkeit endlich ein wenig legte, hob er den Kopf und bedeutete
den beiden in der Ecke

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